Berlinale 2010: „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ ausgebuht

Oskar Roehler hat im Berlinale – Wettbewerb mal wieder polarisiert: Einige Kritiken feierten den Regisseur von Elementarteilchen und Die Unberührbare schon als Meister politischer Dramen und würdigen Nachfolger von Rainer Werner Fassbinder. Trotzdem wurde er auch bisher schon mit viel Skepsis betrachtet.

Nach der Pressevorführung von Jud Süß – Film ohne Gewissen schlug ihm heftige Ablehnung entgegen: Ich kann mich nicht erinnern, solch ein lautes Buh – Konzert im Berlinale – Palast gehört zu haben. Normalerweise verschwinden die Kritiker nach den morgendlichen Veranstaltungen ohne größere Reaktionen oder mit kurzem, freundlichem Applaus zur Pressekonferenz oder in die nächste Vorstellung.

Diesmal provozierte Roehler bereits während der Vorführung einige Pfui – Rufe. Allzu spekulativ und holzschnittartig erschien sein Melodram über Ferdinand Marian, den Hauptdarsteller des berüchtigten NS – Propagandafilms Jud Süß, der während der Nazizeit zum Aufputschen von SS – Truppen vor Massenerschießungen eingesetzt wurde und wegen seiner perfiden Demagogie heute nur noch unter strengsten Auflagen öffentlich aufgeführt werden darf.

Roehler zeigt einen Marian (gespielt von Tobias Moretti), der daran zerbricht, dass er den Schmeicheleien und Drohungen von Propaganda – Minister Goebbels nachgab und die Hauptrolle in diesem Hetz – Film annahm. Mit den historischen Fakten nimmt er es dabei nicht so genau: Seine katholische Ehefrau wird bei ihm zur Jüdin, letztlich bekommt Martina Gedeck für ihre Rolle nicht allzu viel Raum. Im Zentrum stehen der ziellos zwischen Alkohol, Selbstzweifeln, Frauengeschichten und Narzissmus herumlavierende Marian und ein Goebbels, der von Moritz Bleibtreu in einem gewagten Auftritt verkörpert wird. In breitem rheinischem Singsang und mit erhobenem Zeigefinger hinkt er durch die Szenen und spinnt sein Netz: Endlich soll ein anspruchsvoller Nazi – Film entstehen, der damals auch auf Mussolinis Festival in Venedig gefeiert wurde.

Zurecht spielte dieser Film Jud Süß – Film ohne Gewissen bei der Vergabe der Bären keine Rolle, als am Samstag die erwarteten Favoriten Bal, Eu cand vreau sa fluier, fluier und The Ghost Writer die Hauptpreise unter sich ausmachten. 

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