Zwei prominente linke Köpfe im Dialog

In der Matinee-Reihe „Gregor Gysi trifft Zeitgenossen“ war diesmal das Kreuzberger Grünen-Urgestein Hans-Christian Ströbele im Deutschen Theater zu Gast. Noch bevor er auf der Bühne erschien, setzte er seine eigenwilligen Akzente: Zur Erheiterung des Publikums wurde ihm ein Glas Milch bereitgestellt.

Das Gespräch konzentrierte sich vor allem auf seine Jugend, seine Politisierung während der Studentenproteste und vor allem seine Tätigkeit als RAF-Verteidiger in den 1970er Jahren.

Seine antimilitaristische Grundhaltung und sein Widerstand gegen Karrieren von Alt-Nazis in der Bundesrepublik speist sich z.T. aus ganz unmittelbaren biographischen Erfahrungen. Während des 2. Weltkriegs in Halle/Saale geboren, überlebte er nur durch einen glücklichen Zufall die Explosion eines Bomben-Blindgängers, bei der sein bester Freund beim Spielen im Garten starb. Seine Mutter legte als einzige Frau ihres Jahrgangs das erste Jura-Staatsexamen ab, wurde zu Beginn der NS-Zeit dann aber nicht zum Referendariat zugelassen. Der Chef des Prüfungsamtes, der später im Bonner Bundesfinanzministerium Karriere machte, erklärte ihr, dass sie sich nach dem Willen des „Führers“ ganz auf ihre Mutterrolle konzentrieren solle.

Dennoch verliefen seine Jugendjahre zunächst nicht so rebellisch, wie man vermuten könnte: Der breiten Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass Ströbele tatsächlich einer der wenigen Grünen ist, die Wehrdienst geleistet haben. Zu seiner Studentenzeit in Heidelberg meinte er, dass seine Kommilitonen und er oft schlicht nichts über die fragwürdige Vergangenheit einiger Professoren wussten.

Erst im Lauf der Zeit fragten sie kritischer nach und während der Studentenproteste der späten Sechziger Jahre ließ Ströbele wohl kaum eine Demo oder einen Teach-In aus. Wie für viele in seiner Generation war der 2. Juni 1967 ein wesentlicher Einschnitt in seiner Biographie: Benno Ohnesorg wurde bei Protesten gegen den Schah-Besuch erschossen. Einige Teile der Bewegung radikalisierten sich, manche gingen sogar in den Untergrund und gründeten die RAF.

Für Ströbele war dieser Weg nie eine Option, wie er ausführte. Bereits als junger Referendar arbeitete er jedoch mit Horst Mahler zusammen, der sich damals bereits als Anwalt der APO einen Namen gemacht hatte, nach einer schwer nachvollziehbaren Wandlung heute aber am rechten Rand der Gesellschaft angekommen.
Gemeinsam mit Klaus Eschen gründeten die beiden das Sozialistische Anwaltskollektiv, das von 1969 bis 1979 die Verteidigung von Baader, Meinhof, Ensslin und Co. übernahm.

Im aufgeheizten politischen Klima jener Jahre versuchten sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Otto Schily, mit den Mitteln des Prozessrechts eine faire Verteidigung ihrer Mandanten zu ermöglichen. Über die anstrengenden basisdemokratischen Abstimmungsprozesse im Anwaltskollektiv und die vielen Streitigkeiten mit der Justiz im Rahmen der Stammheim-Prozesse erzählte Ströbele viel Hörenswertes.

Leider blieb für die jüngere Vergangenheit und die Gegenwart in diesem Gespräch kaum noch Zeit. Kurz wurde noch Ströbeles Rücktritt als Grüner Parteivorsitzender wegen umstrittener Äußerungen zum Golfkrieg und Israel im Jahr 1991 gestreift.

Sehr spannend wäre es gewesen, was der Linke Fraktionsvorsitzende Gysi und der einzige, sogar drei Mal in Folge und mit Stimmenzuwächsen, direkt gewählte Grüne Bundestagsabgeordnete Ströbele zum aktuellen Zustand ihrer Parteien und den gegenwärtigen Debatten zu sagen haben.

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