Harald Schmidt unterfordert beim Cicero-Foyergespräch

An diesem Wochenende landete der Cicero gleich zwei Coups. Das politische Berlin freute sich bereits auf seinen Feierabend, als es am Freitag Nachmittag von der Vorabmeldung hochgeschreckt wurde, dass der hochangesehene Chefredakteur Christoph Schwennicke in der Titelgeschichte der Oktober-Ausgabe ausführen wird, dass die drei Troika-Mitglieder der SPD sich intern bereits auf Peer Steinbrück als Kanzlerkandidaten festgelegt haben. Bei Herrn Schwennicke handelt es sich wahrlich nicht um irgendeinen Schreiberling, sondern einen klugen Analytiker, der die Berliner Politik seit vielen Jahren mit lesenswerten Beiträgen für Süddeutsche Zeitung und SPIEGEL begleitet. Steinbrück, Nahles und Gabriel veröffentlichten umgehend harsche Dementis, dass an dieser Vorabmeldung nichts dran sei. Frank A. Meyer, der Chefpublizist des Ringer-Verlags, hielt nichtsdestotrotz stolz die neue Ausgabe hoch und verkündete unter dem Applaus einiger Besucher des Cicero-Foyergesprächs am Berliner Ensemble, dass sein Blatt ganz genau wisse, dass Peer Steinbrück gegen Angela Merkel in den Ring steigen werde. Mit noch stolzer geschwellter Brust verkündete er, dass Steinbrück bei der nächsten Ausgabe dieses Gesprächsformats am 2. Dezember an der traditionsreichen Bühne Bertolt Brechts zu Gast sein werde.

Ob diese Meldung über die Kanzlerkandidatur stimmt oder nicht, werden wir in den nächsten Wochen früher oder später erfahren. Deshalb nun zurück zum zweiten Coup des Wochenendes: Am Sonntag Vormittag war Harald Schmidt beim Foyergespräch im BE zu Gast. Der Andrang war erwartungsgemäß so groß, dass die Veranstaltung auf die Große Bühne verlegt werden musste. Auch wenn das Haus nicht ganz ausverkauft war, konnte Harald Schmidt doch zutreffend und selbstironisch konstatieren: Hier habe ich ja mehr Zuschauer als auf Sky.

Zu morgendlicher Stunde hatte der Großmeister der satirischen Aperçus keine Mühe, seine überfordert wirkenden Stichwortgeber, den bereits erwähnten Frank A. Meyer, immerhin erfahrener Gastgeber der Gesprächssendung vis-a-vis (im Schweizer Fernsehen und auf 3sat), und seinen Kompagnon, den stellvertretenden Cicero-Chefredakteur Alexander Marguier, auch mit angezogener Handbremse zu verfrühstücken. Als Marguier zum wiederholten Mal mit seinen Fragen zu früh ansetzte und deshalb im Gelächter des Publikums über Schmidts Pointe unterging, lehnte sich Schmidt mit sardonischem Lächeln zu seinem Gesprächspartner und munterte ihn auf: "Sie lernen das schon noch."

In anderthalb Stunden plauderte ein unterforderter Schmidt über seine Karriere als Kabarettist, Schauspieler und Late-Night-Talker und machte aus seiner Verachtung für die Hierarchen der ARD keinen Hehl. Etwas wortkarger wurde er nur, als es um sein gespanntes Verhältnis zu seinem langjährigen Sidekick und Redaktionsleiter Manuel Andrack ging: Nein, man habe keinerlei Kontakt mehr. Aber auch früher habe man nie privaten Kontakt gehabt. Der ehemalige Weggefährte scheine mit seinen Wanderbüchern jedoch erfolgreich und gut ausgelastet zu sein. Zur Debatte, welcher Troikist gegen Merkel antreten solle, zitierte er nur kurz ein Gespräch mit einem Politiker am Münchner Flughafen, dass dies doch letztlich egal sei.

Zum Schluss von Schmidts Solo mit zwei Statisten fragte ein Zuschauer, ob er statt seiner Late Night, die nun fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit laufe, einmal monatlich ein solches Format Live aus dem BE im Fernsehen präsentieren möchte. Schmidt winkte nur gelangweilt ab und sagte, er kenne doch die Zuschauer und Kritiker, die in solchen Fällen spätestens nach der dritten Auflage über die Wiederholung des Ewiggleichen meckerten. Er fühle sich hier auf der Bühne sehr wohl und könne seine vielfach getesteten Kommentare scheinbar schlagfertig wiederverwenden. Aber, um Rudi Carrell zu zitieren: Wenn Du etwas dem Ärmel schütteln willst, musst Du vorher auch etwas hinein getan haben.

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