Zum siebten Mal startete die cineastische Weltreise

Das ehrenamtliche Engagement ist beeindruckend, mit dem Bernhard Karl mit einem kleinen Team nun schon zum siebten Mal das Around the world in 14 films-Festival im Berliner Kino Babylon stemmt. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, dem anspruchsvollen Großstadtpublikum, das auch dieses Jahr wieder zahlreich erschien, eine erlesene Auswahl cineastischer Leckerbissen zu präsentieren, die auf den Film-Festivals von Venedig über Cannes bis Toronto, Sundance oder San Sebastian glänzende Kritiken begannen, aber dennoch Schwierigkeiten haben, einen Verleih zu finden. Ohne dieses Festival würde ihnen drohen, in Vergessenheit zu geraten, höchstens auf DVD im Heimkino oder irgendwann mal auf arte zu sehen zu sein.

Besonders überzeugend waren in diesem Jahr die lateinamerikanischen Filme: Daniel Brühl präsentierte als Pate den Film No von Pablo Larraín, der ein Cannes einen wichtigen Preis gewann und für Chile in das Oscar-Rennen geschickt wird. Gael García Bernal spielt darin einen jungen Werbeprofi, der von der chilenischen Opposition für eine scheinbar aussichtslose Mission angeheuert wird: Der für Folter und andere Menschenrechtsverletzungen berüchtigte Militärdiktator Pinochet musste auf internationalen Druck 1988 eine Volksabstimmung über seine weitere Amtszeit zulassen. Der Film, der auf einem wahren Kern beruht, aber vieles dramaturgisch zuspitzt, zeichnet in einer seltenen Mischung aus politischem Engagement und Witz nach, wie die Opposition trotz aller Schikanen die Gunst der Stunde nutzt und dieses Referendum gewinnt. Der Film endet mit der Wahlnacht und zeigt leider nicht, mit welchen verfassungsrechtlichen Tricks sich Pinochet nach seiner Abwahl als Staatspräsident zum Senator auf Lebenszeit und Oberbefehlshaber ernennen ließ.

Stark war auch der rumänische Beitrag Dupa dealuri/Beyond the hills, der in epischer Länge von fast drei Stunden und akribischem Blick für Details das Schicksal der Freundinnen Alina und Voichita zeigt.  Cosmina Stratan und Cristina Flutur wurden in Cannes als beste Hauptdarstellerinnen ausgezeichnet, Cristian Mungius Film gewann außerdem den Preis für das beste Drehbuch. Auch diese Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit: Alina versuchte ihr Glück in Deutschland, Voichita entschied sich dafür, in ein strenges Kloster einzutreten. Es kommt zum Streit zwischen den beiden jungen Frauen, als Alina vergeblich versucht, ihre Freundin zu überreden, mit ihr zu kommen. Die unreligiöse Alina bleibt nun ebenfalls in diesem kargen Kloster in einer Bergregion, die wie aus der Zeit gefallen scheint, eckt aber von Tag zu Tag in diesem engen Korsett aus Riten, Beichten und Fasten mehr und mehr an. Der Exorzismus der alten Nonnen und ihres verehrten Priesters nimmt ein tödliches Ende, als sie versuchen, die "Besessene" aus den Fängen des Teufels zu entreißen.

Der politisch brisanteste und schrägste Film des Festivals war The Ambassador des dänischen Journalisten Mads Brügger, der im Programmheft treffend als schillernde Figur "irgendwo zwischen Günter Wallraff und Sascha Baron Cohen" vorgestellt wurde. Mit versteckter Kamera filmte er seine brenzligen Erlebnisse, nachdem er von einem dubiosen Geschäftsmann den Titel eines Diplomaten Liberias in der Zentralafrikanischen Republik gekauft hatte. Unter dem Vorwand, eine Streichholzfabrik aufbauen zu wollen, traf er sich mit den Größen aus Politik, Halb- und Unterwelt. Die Grenzen zwischen diesen Milieus waren fließend, ihre Verstrickung in den Schmuggel mit Diamanten und anderen wertvollen Diamanten das verbindende Element. Seitdem Brüggers Betrug als angeblicher Diplomat aufgeflogen ist, sucht ihn die Justiz Liberias mit Haftbefehl. Auch während seiner Harakiri-Aktionen drohte ihm schon, im berüchtigten Zentralgefängnis zu verschwinden, was er jedoch nach einem Anruf bei einem befreundeten Minister in letzter Minute abwenden konnte. Brügger ist weiter auf freiem Fuß und konnte im Publikumsgespräch in Berlin anschließend aus erster Hand über seine Erlebnisse berichten.

Interessante Einblicke waren auch in die prekären Arbeitsbedingungen der Regisseure und Filmteams in einigen Krisenstaaten. Wim Wenders stellte Sangue do meu sangue/Blood of my blood seines ehemaligen Regieassistenten Joao Canijo vor. Der portugiesische Regisseur erzählte im Anschluss an sein Familien- und Sozialdrama aus der Banlieue Lissabons, dass in dem südeuropäischen Staat auf dem Höhepunkt der Euro-Schulden-Krise in diesem Jahr kein Cent mehr in den Fördertöpfen für Filme war.

Auf unkonventionelle Art löste Sergey Loban seine Finanzprobleme, als ein Oligarch nach dem Lehman-Crash von 2008 den Geldhahn für den erst zur Hälfte produzierten Film The Chapiteau-Show zudrehte: Als Projekt lag auf Eis, bis sich eine Freundin des Filmteams von ihrem neuen Ehemann, einem anderen Oligarchen, zum Geburtstag wünschte, dass er die Löcher im Budget stopfen sollte. Heraus kam eine für westliche Augen gewöhnungsbedürftige Mixtur aus Märchen, Musical und Meditation über Begriffe wie Freundschaft und Respekt, die sich mittlerweile in Moskau zum Kultfilm entwickelte. Als Independent-Film mit durchaus kritischen Passagen gegen die orthodoxe Kirche und Putins herrschende Moral gestartet, erreichte er ein breites Publikum und lief mittlerweile sogar im privaten Mainstream-TV.

Das 7. Around the world in 14 films-Festival

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