Jahresendzeitprogramm: Merkel/Steinbrück großkoalitionär

Es ist schon eine gute Tradition, dass sich Angela Merkel (ihr alter Ego: Christoph Jungmann) in der Weihnachtszeit trotz Euro-Rettungsroutine und Koalitionsstreit die Zeit nimmt, als charmante Gastgeberin das Jahresendzeitprogramm im Mehringhoftheater zu moderieren. Zumindest bis zur Pause hatte sie diesmal ihren Herausforderer Peer Steinbrück in einer vorweggenommen Großen Koalition an ihrer Seite, bis er dringend zum nächsten honorierten Vortrag bei einer Bank oder Stadtwerken weg musste.

Im besten Improvisationstheater-Stil liefern sich Kanzlerin und Kandidat ein kurzes Townhall-Rededuell auf Zuruf aus dem Publikum über das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Ansonsten funktioniert die Doppelmoderation noch nicht reibungslos: Steinbrück tritt gewohnt nassforsch auf und lässt wieder einmal nicht jedes Fettnäpfchen unberührt.

Höhepunkte der zweiten Hälfte sind die Gastauftritte von Joachim Gauck und Klaus Wowereit (beide ebenso wie Peer Steinbrück von Hannes Heesch verkörpert). Gauck wird als selbstgefälliger Sonnenkönig auf Schloss Bellevue gezeichnet, der voller Ergriffenheit über sich selbst sein Mantra von der Freiheit säuselt und dessen Selbstbild in diametralem Gegensatz zur realen Wirkung seiner öffentlichen Auftritte steht. Es ist das Markenzeichen des Jahresendzeitprogramms, dass sie diese treffende Charakterisierung in einer gelungenen Adaption von bekannten Songs mit neuem Text verpacken.

Wowereit tritt mit seinem Referenten und dem Ingenieur zu einer Pressekonferenz zum nicht endenwollenden Flughafen-Desaster auf, das Publikum reichte Fragen wie "Wann soll ich meinem Kind klarmachen, dass es den Großflughafen genausowenig gibt wie den Osterhasen?" zur Pause ein: Gewohnt aalglatt und ahnungslos stiehlt sich Wowereit mit breitem Grinsen aus der Verantwortung.

In kleinen Miniaturen á la Lesebühnen tragen Horst Evers und Bov Bjerg skurrile Geschichten und Alltagsbeobachtungen vor, die z.B. von der Überlegung ausgehen, ob Gerhard Schröder ebenso wie der ukrainische Präsident Janukowitsch mit Hilfe ihres gemeinsamen Kumpels Putin an die Macht zurückkehren wird und ob Schröder Frau Merkel dann ähnlich schnell verhaften lassen wird wie Juschtschenko seine Rivalin Julia Timoschenko. Wie würden die europäischen Nachbarn darauf reagieren?

Zum krönenden Finale hampelt das Team mit Sonnenbrillen im V-Mann-Style über die Bühne und nimmt das Versagen der Sicherheitsbehörden bei der NSU-Mordserie aufs Korn. Diese Parodie auf das Gangnam Style-Video des Südkoreaners Psy ist ebenso gelungen wie die Zugabe: Noch einmal erlebt das Publikum den Höhepunkt des Vorjahres-Programms, als der Absturz des Freiherrn zu Guttenberg von Manfred Maurenbrecher mit den beiden Kollegen Bjerg und Evers zu Kraftwerk-Klängen mit dem Liedtext "Er ist ein Minister und er sieht gut aus" kommentiert wird.

Der Erfolg des Jahresendzeitprogramms spricht für sich: Alle Vorstellungen im Mehringhoftheater bis Anfang Januar sind bereits wieder lange verkauft. Restkarten könnte man nur noch mit Glück kurzfristig über Facebook oder bei den wenigen Gastspielen Mitte Januar in der Komödie am Kurfürstendamm bekommen.

Das Jahresendzeitprogramm

Mehringhoftheater

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