Bemerkenswerte Preisträger zwischen Baby Blues und Act of Killing

Die Berlinale-Jury hatte keinen einfachen Job, zu viel Mittelmaß war im Wettbewerb. Ihre Entscheidungen, das rumänische Drama Pozitia Copilului/Child´s pose mit dem Goldenen Bären auszuzeichnen und Jafar Panahi für das beste Drehbuch einen Silbernen Bären zu verleihen, sind vertretbar. Die Qualität von anderen Werken aus Rumänien, die auf internationalen Festivals reüssierten, wie Cristian Mungius Beyond the hills, der für die Oscars nominiert ist und beim Festival in Cannes vergangenes Jahr ausgezeichnet wurde, kann Berlinale-Sieger Child´s pose jedoch bei weitem nicht erreichen.

Eindeutiger waren die Entscheidungen in den wichtigsten Nebenreihen: Joshua Oppenheimers bemerkenswerter The Act of Killing war der Favorit der Kritiker und absoluter Publikumsliebling, so dass sich die Besucher am Abschluss-Wochenende sogar auf den Treppenabsätzen drängten. In diesem besten Film aus der Reihe Panorama Dokumente prahlen alte Männer damit, dass sie 1965 mit den berüchtigten paramilitärischen Einheiten der Pancasila Youth mehr als eine Million Menschen als Regimefeinde und vermeintliche Kommunisten liquidiert und ganze Dörfer abgebrannt haben. Bis heute blieben sie straflos, da ihre Taten von mächtigen Seilschaften in der indonesischen Regierung gedeckt werden. Triumphierend weisen die Männer darauf hin, dass eben die Sieger die Geschichte schreiben. Joshua Oppenheimer, der in Harvard ausgebildet wurde, sich mit seinen Dokumentarfilmen ganz auf Milizen und Todesschwadronen konzentriert und mittlerweile die Forschungsgruppe Genozide and Genre des britischen Arts and Humanities Research Council leitet, überredete Anwar Congo und Herman Koto, ihre Massaker für die Kamera nachzustellen. Anders als in den eingefahrener Mustern typischer Polkt-Dokumentationen überzeugt der Film sowohl inhaltlich als ästhetisch, überraschend ist vor allem das Ende: zumindest einer der Täter, die eben noch stolz prahlten, scheint erstmals Reue für seine Verbrechen zu spüren, als er sie Jahrzehnte später nachspielt.

Neben dem Goldenen Bären ging auch der Gläserne Bär für den Sieger in der Jugend-Sektion Generation 14 plus nach Mittel- und Osteuropa: Baby Blues des polnischen Nachwuchstalents Kasia Roslaniec war der herausragende Film dieser Reihe. Dieses Sozialdrama über zwei Teenager, die obwohl sie selbst noch Kinder sind, ein Baby bekommen, beeindruckt durch seinen schonungslosen Blick. In dieser Härte liegt aber auch das Problem des Films: Ist er für die Zielgruppe der 14- bis 17Jährigen zu empfehlen oder nicht doch eher für ein erwachsenes Publikum geeignet? Roslaniec, die bei Altmeister Andrzej Wajda studiert hat und in Polen mit ihrem Abschlussfilm Mall Girls die Kinocharts anführte, gelang ein beeindruckender Blick in dysfunktoniale Familienstrukturen, die sich quer durch die Generationen ziehen. Ihre Filmsprache ist von harten Schnitten geprägt, absehbar ist, dass die Hauptfigur Natalia mit ihrem Skaterfreund Kuba kein gutes Ende erleben wird.

Roslaniecs Baby Blues hat einige Parallelen zu Malgoska Szumowskas W imie/In the name of, der bei der Bären-Verleihung am Samstag zwar leer ausging, aber bei der Verleihung der Teddy Awards am Freitag der strahlende Sieger war. Das Drama um den polnischen Priester, der sich seine Homosexualität eingestehen muss und in Konflikt mit der konservativen Amtskirche gerät, gewann sowohl den Leserpreis der Siegessäule als auch den Spielfilm-Hauptpreis der Teddy-Jury. Bei seiner 27. Auflage hat sich die Teddy-Verleihung längst zu einem vielbeachteten Event entwickelt, das von rbb und arte zeitversetzt ausgestrahlt wurde. Auch politische Prominenz von Renate Künasts über Hamburgs ehemaligen Bürgermeister Ole von Beust bis zu einem beim Grußwort ausgepfiffenen Schirmherrn und Regierenden Bürgermeister auf Abruf Klaus Wowereit durfte nicht fehlen. Die Preisverleihung fand am Gleisdreieck in einem stillgelegten Bahnhofsgelände aus der Kaiserzeit statt und bot eine gelungene Mischung aus politischem Anspruch (Gastrede von Human Rights Watch), der Präsentation der Preisträger-Filme und künstlerischer Untermalung durch die Berliner Band Laing und den kanadischen Songwriter Rufus Wainwright.

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