Theatertreffen: mehrstündige Romanadaptionen

Nach dem Eröffnungsstück Medea standen beim 50. Berliner Theatertreffen zwei Bühnenfassungen von Romanen auf dem Programm, die dem Publikum mit einer Länge von viereinhalb bzw. mehr als fünf Stunden einiges an Konzentration und Sitzfleisch abverlangten.

Am 6. und 7. Mai gastierte das Hamburger Thalia-Theater mit Luk Percevals Jeder stirbt für sich allein nach dem gleichnamigen Roman von Hans Fallada. In der Romanvorlage verarbeitete Fallada 1946/47 die wahre Geschichte des Berliner Arbeiterehepaares Elise und Otto Hampel, die zwei Jahre lang heimlich Postkarten an belebten Orten der Hauptstadt deponierten und zum Widerstand gegen Hitlers Gewaltherrschaft aufriefen, bevor sie denunziert, gefoltert und zum Tod verurteilt wurden.

Das Besondere an diesem voluminösen Abend ist, dass es Regisseur Luk Perceval, Dramaturgin Christina Bellingen und ihrem Schauspielerensemble um Barbara Nüsse, Gabriela Maria Schmeide und Mirco Kreibich gelingt, das Publikum nicht mit bleierner Schwere zu erdrücken. Als zentrale Themen werden Widerstand, Verrat und Folter verhandelt: Wie reagieren die Figuren unter totalitärer Repression? Die Kleinganoven lavieren sich durch, die meisten passen sich an, eine überraschende Wandlung erlebt der für seine Strenge gefürchtete Kammergerichtsrat Fromm, der den Widerstandskämpfern hilft, da er sich der Idee der Gerechtigkeit verpflichtet fühlt.

Neben den beklemmenden Momenten, die bei diesem Stoff zwangsläufig sind, gab es für das Publikum auch heitere Szenen, so dass trotz des düsteren Titels Jeder stirbt für sich allein erstaunlich viel gelacht wurde.

Die Thalia-Produktion ist eine gelungene Theaterfassung von Falladas Roman, der erst in den vergangenen Jahren den verdienten, weltweiten Erfolg erlebte, als die ungekürzte Originalfassung neu herausgegeben wurde. Der Schriftsteller Primo Levi,
ein Überlebender von Auschwitz, nannte Falladas Roman „das beste Buch,
das je über den deutschen Widerstand geschrieben wurde."

Völlig misslungen ist hingegen Sebastian Hartmanns Annäherung an Leo Tolstois Epos Krieg und Frieden als Koproduktion der Ruhrfestspiele Recklinghausen und des Centraltheaters Leipzig mit Ex-Bravo-TV-Girlie Heike Makatsch in einer Gastrolle. Die Inszenierung schleppt sich ziellos dahin, bevor sie in Albernheiten und Kalauern versandet.

Das 50. Berliner Theatertreffen (3.-20. Mai 2013)

Jeder stirbt für sich allein (Thalia-Theater Hamburg)

Roman-Vorlage Jeder stirbt für sich allein

Krieg und Frieden (Centraltheater Leipzig/Ruhrfestspiele Recklinghausen)

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