„Wolf unter Wölfen“: Unterhaltsame Geschichtsrevue


Hans Falladas
dicke Wälzer eignen sich sehr gut für Theateradaptionen: Das bewies schon Luk Perceval mit seiner Inszenierung von Jeder stirbt für sich allein am Hamburger Thalia-Theater, die eines der Highlights des Theatertreffens im Mai 2013 war. Mit einer ganz anderen, sehr viel verspielteren Regie-Handschrift zeigte dies aber auch Roger Vontobel mit seiner Adaption von Falladas Wolf unter Wölfen.

Der Dramaturg John von Düffel destillierte aus dem bunten Figurenkosmos dieses 1250-Seiten-Taschenbuch-Ziegelsteins eine unterhaltsame Strichfassung, die auch über fast drei Stunden kurzweilig bleibt. Den leichtfüßig-ironischen Ton des Abends gibt Katharina Marie Schubert vor, die zu Beginn vor den geschlossenen Vorhang tritt und als Koksnutte mit französischem Akzent die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen im Berlin des Jahres 1923 vom Blatt liest: Die Narben des 1. Weltkriegs sind längst nicht verheilt, die Reparationen des Versailler Vertrags sind eine schwere Last, die Hyperinflation galoppiert in schwindelerregende Höhen, für eine Straßenbahnfahrt oder einen Liter Milch muss man mehr als eine Million hinblättern.

Die Stärke des Abends ist, dass die Fakten aus den krisengeschüttelten Jahren der Weimarer Republik an Einzelschicksalen hier ganz plastisch vorgeführt werden. Die Nummernrevue im Stil der damaligen Zeit mit schwungvoller musikalischer Untermalung durch die dreiköpfige Band vermittelt die Zusammenhänge unterhaltsamer als trockene Geschichtsvorlesungen. Der politische Hintergrund (Putschversuche von rechts, vor allem durch ehemalige Reichswehr-Soldaten, und die sich durchs ganze Stück ziehenden Debatten um die nächste Währungsreform) schimmert an mehreren Stellen dieser Inflationsrevue durch und erhält angesichts des medialen Raunens über den nächsten Schuldenschnitt für Griechenland eine bedrückende Tagesaktualität.

Nach der Pause ziehen sich die Bühnenfiguren aufs Land zurück. Ihre Abrechnung mit dem dreckigen Berlin des Jahres 1923, voller Armut und Prostitution, dürfte Klaus Wowereits Tourismus- und Marketingabteilung noch einige Zeit im Magen liegen. In der zweiten Hälfte, die auf dem Landsitz Neulohe spielt, verlangsamt sich das Tempo, ein Hauch von Tschechow liegt über dem Deutschen Theater, bis die Handlung in einem Schluss-Monolog von Ole Lagerpusch über die Hyperinflation, dem Kernthema dieses Abends, kulminiert.

Leider steht das Stück nicht mehr auf dem Spielplan des Deutschen Theaters, die letzte Vorstellung fand am 25. Oktober statt, seit der Premiere am 19. April 2013 gab es nur wenige Aufführungen. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert