„Der helle Wahnsinn“: Akrobatisches Varieté trifft im Wintergarten auf politischen Anspruch

Die großen Bühnen genießen derzeit noch ihre Sommerpause, diese Lücke nutzte das Wintergarten-Varieté in der Potsdamer Straße sehr geschickt für sich. Den Plakaten zur neuen Show Der helle Wahnsinn kann man kaum entgehen – Berlins Haltestellen sind fast flächendeckend damit zugekleistert.

Die Werbeoffensive machte neugierig und der Abend bietet tatsächlich mehr als Glamour, Glitter und Akrobatik. An dem traditionsreichen Ort, wo schon während der Weimarer Republik die Kleinkunst blühte, wagte Regisseur Markus Pabst mit seinem Team das Experiment, schwere politisch-historische Themen mit der leichten Muse zu verbinden.

Die Touristen hätten wohl kaum erwartet, dass sie in das Jahr 1947 zurückversetzt und mit § 175 StGB konfrontiert werden: Herbert Maria Freiherr von Heymann (Jack Woodhead) kommt nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft zwar aus dem Konzentrationslager frei, findet sich aber gleich in einer „Irrenanstalt“ wieder, da die Gesellschaft wegen seines Delikts der „Unzucht mit Männern“ vor ihm geschützt werden muss. Dort trifft er auf Punka Rosa (David Pereira), der vom KZ traumatisiert ist. Der Junge konnte nur überleben, da ihn die SS in Frauenkleider gesteckt hat und er dort für sie tanzen und singen musste. Es irritiert, dass diese Bühnenfigur konsequent und völlig politisch unkorrekt als „Zigeunerjunge“ bezeichnet wird.

Eine weitere Merkwürdigkeit ist, dass im ganzen Gebäude mit großen Hinweisschildern auf ein Rauchverbot hingewiesen wird, kurz nach der Pause ein Darsteller genüßlich und ohne klaren dramaturgischen Zusammenhang raucht. Noch dazu mit Schleichwerbung für die Marke Lucky Strike, wie er genüsslich betont.

In der Anstalt stellen die beiden Hauptdarsteller eine kunterbunte Freakshow mit den anderen Insassen auf die Beine: Artistik-Nummern der Extraklasse und skurrile Einfälle wechseln sich ab, eingewoben in die politische Rahmenhandlung als roter Faden.

Der helle Wahnsinn wurde von Publikum und Kritik sehr wohlwollend aufgenommen, da der Abend von den üblichen Genre-Stereotypen abweicht. Die Show ist seit der Premiere am 24. Juli 2014 jeweils von Mittwoch bis Sonntag noch bis 5. Oktober 2014 zu sehen.

Der helle Wahnsinn im Wintergarten

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