„My Square Lady“: Roboter Myon und Gob Squad augenzwinkernd an der Komischen Oper

Das Augenzwinkern ist das Grundprinzip des Abends. Fast alles, was auf der Bühne passiert, wird auf den Displays kommentiert, die an der Komischen Oper für Untertitel genutzt werden. Wenn Carsten Sabrowski Der Wanderer anstimmt, ist dort Ach, endlich Schubert zu lesen. Ein kurzer Ausschnitt aus Mozarts Zauberflöte wird mit Oh, endlich doch noch Oper kommentiert. Und zu Beginn wird das Publikum aufgefordert: Stellen Sie sich am besten ihrem Sitznachbarn vor. Vielleicht wird es auf der Bühne so traurig, dass Sie noch eine Schulter zum Anlehnen brauchen. So geht das fast ununterbrochen…

Zu Beginn tritt erst mal eine Parade aus fast allen Arbeitsbereichen der Komischen Oper ans Mikrofon. Entweder schon hier oder später in eingespielten Videos stellen sie sich und ihre Tätigkeit vor: von den Technikern bis zum Kinderchor, von der Sopranistin über den Pförtner, vom Bass bis zur Geschäftsführenden Direktorin, deren österreichische Herkunft deutlich zu hören ist, denken sie darüber nach, ob sie durch einen Roboter ersetzen könnten. Dieses Konzept von Gob Squad verfolgt eine ähnliche Grundidee wie die Arbeit Einige von uns, die She She Pop vor kurzem in Stuttgart auf die Bühne brachten.

Als die eigentliche Hauptfigur des Abends auf die Bühne kommt, ist auch dies ein ironisches Spiel mit den Erwartungen: mit großem Pomp wird der Roboter Myon angekündigt. Von Hollywood-Vorbildern wie Terminator oder HAL aus Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum könnte er kaum weiter entfernt sein. Unbeholfen bleibt er auf die ständige Unterstützung seiner drei Entwickler Stefan Bethge, Torsten Siedel, Christian Thiele angewiesen, die ebenso wie ihr Teamleiter Professor Manfred Hild vom Forschungslabor Neurorobotik der Beuth Hochschule für Technik Berlin neben Johanna Freiburg, Sean Patten und Bastian Trost von Gob Squad und den Solisten der Komischen Oper über die Bühne wuseln. Wenn sie sich nicht gerade um ihren Roboter Myon kümmern, fungieren sie als Background-Tänzer zu Feel, das von einem Robbie Williams-Imitat im Glitzer-Outfit gesungen wird.

Bei dieser von der Kulturstiftung des Bundes geförderten Co-Produktion von freier Szene und Opernhaus des Jahres durfte sich offensichtlich jede und jeder nach Herzenslust austoben und das machen, wovon er immer schon träumte: die Inspizientin Sabine Franz kommt mehrfach auf die Bühne, Christiane Oertel darf endlich die Carmen singen. Das Ganze hangelt sich zwischen Tätigkeitsbeschreibungen der Arbeiten an einem so großen Haus, halbprivatem Plaudern über die großen Themen der Oper von Liebe bis Tod und einem Potpourri schöner Arien dahin.

Der Mehrheit im Publikum schien dieser kurzweilige Abend durchaus gefallen zu haben. Myons Ausflug in die schillernde Welt der Oper dürfte aber schon bald beendet sein: nach der gestrigen Premiere sind noch zwei Aufführungen für den 25. Juni und 5. Juli angekündigt, eine Wiederaufnahme in der neuen Spielzeit sucht man bisher vergeblich.

My Square Lady – Von Menschen und Maschinen. Eine Opernerkundung von Gob Squad. – Premiere an der Komischen Oper: 19. Juni 2015. – Konzept, Regie und Kostüme: Gob Squad, (Johanna Freiburg, Sean Patten, Sharon Smith, Berit Stumpf, Sarah Thom, Bastian Trost, Simon Will); Musikalische Leitung und Arrangement: Arno Waschk; Bühnenbild: Gob Squad, Romy Kießling; Entwicklung und Betreuung Roboter: Manfred Hild, Dramaturgie: Ulrich Lenz, Christina Runge; Chöre: Andrew Crooks, Kinderchor: Dagmar Fiebach, Licht: Diego Leetz, Video: Kathrin Krottenthaler, Videomitarbeit: Miles Chalcraft, Kostümbildmitarbeit: Susanne Weiske, Mitarbeit und Betreuung Roboter: Torsten Siedel, Stefan Bethge, Christian Thiele, Marcus Janz, Peter Hirschfeld, Jörg Meier, Mario Weidner, Projektleitung: Rainer Simon, Christina Runge. – Mit: Manfred Hild, Johanna Freiburg, Sean Patten, Bastian Trost, Katarina Morfa, Christiane Oertel, Caren van Oijen, Mirka Wagner, Bernhard Hansky, Carsten Sabrowski, Christoph Späth, Chorsolisten der Komischen Oper Berlin, Kinderchor der Komischen Oper Berlin, Myon. – Ca. 2 h 45 Minuten, eine Pause

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert