Dietrich Brüggemanns Nazi-Farce „Heil“: Kalauer, Karikaturen und Kumpels

„Wie wäre es mal mit einer Komödie mit Neonazis?“ – Diese Idee trug Dietrich Brüggemann schon länger mit sich herum, wie er im Interview mit Bert Rebhandl für das Stadtmagazin tip Berlin berichtet. Aber: „Das finanziert dir doch kein Schwein.“

Nach dem großen Festival-Erfolg von Kreuzweg, der bei der Berlinale 2014 mit dem Silbernen Bären für das Beste Drehbuch ausgezeichnet wurde, schien der Moment günstig: „Jetzt machen wir das aber schnell, bevor uns einer auf die Schliche kommt“, erzählte Brüggemann im Interview.

Flugs wurden einige Kumpels für den Kinofilm Heil zusammengetrommelt: Benno Fürmann (herrlich unsympathisch als Nazi-Lokal-Größe Sven Stanislawski), Jacob Matschenz (als debile Glatze Johnny) oder Jerry Hoffmann (als Autor Sebastian Klein), der in dieser Spielzeit als neues Ensemble-Mitglied am Gorki in Seid nett zu Mr. Sloane und Das Kohlhaas-Prinzip zu sehen war und schon während des Studiums bei René Pollesch an der Volksbühne sowie am Ballhaus Naunynstraße engagiert war, spielen die tragenden Rollen. Brüggemanns Schwester Anna ist als Nazi-Braut Doreen auch wieder an Bord.

Überraschend ist, wer sich noch an diesem Spaß-Projekt beteiligt hat: RBB, SWR, ARD Degeto, arte und RBB finanzieren ihn; Intendant Ulrich Khuon stellte das edle Foyer des Deutschen Theaters für Dreharbeiten zur Verfügung, sein Sohn Alexander übernimmt einen kleinen Part als schnöseliger Moderator einer Akademie-Diskussion vor den elegant gekleideten Anhängern der Sarrazin-Thesen. Wie ein Who´s´who der deutschen Kinolandschaft liest sich schließlich die Besetzung weiterer Nebenrollen und Gastauftritte: Michael Gwisdek, Hanns Zischler, Andreas Dresen

Heraus kam ein wilder Rundumschlag, bei dem jeder sein Fett wegbekommt: die Neonazis genauso wie die Antifa; nebeneinanderher wurstelnde Verfassungsschutzbehörden ebenso wie TV-Laber-Runden, wo ein buntes Sammelsurium von Phrasendreschern kurze Soundbites absondert, aber keine echte Diskussion aufkommen darf. Die knapp zwei Stunden sind gespickt mit einigen hübschen Insidergags, aber auch der nächste Kalauer ist nie weit. Manche Kalauer sind so flach, dass es nur noch weh tut. Deshalb erntete Brüggemanns Heil auch einige Verrisse wie von Rainer Gansera, der in seiner Rezension Im Depperl-Karrussell in der Süddeutschen Zeitung über banale Gags, läppische Schenkelklopfer und gähnende Langeweile schimpfte.

Heil ist sicher keine Sternstunde des deutschen Autorenkinos und einen stringenten Plot sucht man eher vergeblich, aber das sollte auch so sein. Brüggemann plauderte im tip-Interview aus dem Nähkästchen: „Es ist eine Explosion, die sich organisch entwickelt. Man schaut der Sache schreibend zu. So ein Film macht sich bis zu einem gewissen Grad immer selbst.“ Aber das Ergebnis ist dann doch nicht so furchtbar trashig, wie es sich in manchen Rezensionen liest. Den Schauspielern macht es sichtlich Spaß, sich in dieser Nazi-Farce einfach mal austoben und Karikaturen spielen zu dürfen. Auch wenn ein Kalauer mal an die Schmerzgrenze geht, wird man zwischendurch wieder mit subtileren Pointen entschädigt oder darf miträtseln, welcher Promi in der nächsten kleinen Gastrolle auftreten wird.

Trailer zu Heil

Webseite zum Film

Heil. – Drehbuch und Regie: Dietrich Brüggemann. – Schauspieler u.a.: Benno Fürmann, Liv Lisa Fries, Jerry Hoffmann, Jacob Matschenz, Daniel Zillmann, Oliver Bröcker, Anna Brüggemann. – Deutschland 2015. – Verleih: X-Verleih. – Länge: 103 Minuten. – FSK: ab 12 Jahren. – Kino-Start: 16. Juli 2015

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