Strampeln im Hamsterrad

 ≈ [ungefähr gleich] im Schaubühnen-Studio

Unter Hamster-Masken schwitzen die vier Schauspielerinnen und Schauspieler dieses Abends (Iris Becher, Bernardo Arias Porras, Renato Schuch, Alina Stiegler). Die SZ erinnerte es an eine Textilfabrik in Bangladesch, wie sie im Akkord schuften und Gold-Papier in kleine Schnipsel schneiden. In den folgenden 90 Minuten teilen sie sich mehr als zwanzig Rollen auf, die alle eines gemeinsam haben: sie träumen von Glück und Wohlstand, strampeln und strampeln, scheitern aber doch.

Wir erleben den Fachmann für Wirtschaftsgeschichte, der in langen Monologen von seinem Fachgebiet schwärmt, aber keine Chance auf einen Lehrstuhl hat. Die Angestellte im Tabakladen muss Rubbellose verkaufen, würde aber lieber als Selbstversorgerin auf einem Öko-Bauernhof aussteigen. Der Nächste reiht Abendkurse an Fortbildungen, wird aber doch in allen Bewerbungsverfahren abgewiesen und muss sich von der frustriert-gelangweilten Jobcenter-Mitarbeiterin (Iris Becher in einer der gelungensten Miniaturen des Abends) schikanieren lassen. Freja schreckt nicht mal davor zurück, ihre Rivalin um den Arbeitsplatz vor ein Auto zu schubsen. Nur der Schauspieler Peter (Bernardo Arias Porras) zeigt dem Kapitalismus den Stinkefinger, er schnorrt sich als angeblicher Obdachloser durch. Er hat sein Geschäftsmodell optimiert und verfügt über ein großes Repertoire an Sprüchen und Geschichten, die er je nach Situation auspackt.

Das Problem des Abends ist, dass der schwedische Autor Jonas Hassen Kherimi die kurzen Szenen so überkonstruiert miteinander verknüpft hat, dass am Ende alle Figuren irgendwie miteinander zusammenhängen. Bis dahin hetzt das Stück von einer Episode zur nächsten. Kurze Schlaglichter statt Geschichten mit Tiefenschärfe. Mina Salehpour, die zum fünften Mal ein Kherimi-Stück auf die Bühne bringt und deren Arbeiten bisher vor allem in Hannover, Braunschweig oder am Grips Theater zu sehen waren, bringt diese Sketche aus dem kapitalistischen Hamsterrad souverän auf die Bühne.

Bleibt noch die Frage nach dem Unterhaltungswert: der oben erwähnte Wirtschaftshistoriker erklärt zu Beginn ausführlich eine mathematische Formel, mit der man diesen Wert angeblich ganz genau berechnen könnte. Bei dieser ≈ [ungefähr gleich]-Inszenierung im Studio der Schaubühne liegt er im soliden Mittelfeld. Der Abend bietet wenig Neues. Zu oft haben sich junge Dramatiker schon mit ähnlichen Ideen und Thesen an der Arbeitswelt abgearbeitet.

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Foto: Gianmarco Bresadola

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