Angestarrt

Tanz-Choreographie „For the sky not to fall“ von Lia Rodrigues im HAU 2

Auge in Auge postieren sich die Tänzerinnen und Tänzern vor ausgewählten Zuschauern, die sie ins Visier genommen haben. Krabbelnd und keuchend bewegen sie sich durch das Publikum, das sich in kleinen Grüppchen locker im Saal des HAU 2 verteilt hat.

Diese direkte Konfrontation des Angestarrt-Werdens bleibt als stärkster Eindruck aus der neuen Choreographie „Para que o céu não caia – For the sky not the fall“ von Lia Rodrigues im Gedächtnis.

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Nach einem Intermezzo, bei dem sich die Akteure wimmernd und röchelnd auf dem Boden wälzen, stampfen sie in den letzten Minuten mit einem schamanischen Tanz-Ritual kräftig auf.

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Zum Schluss entert auch Lia Rodrigues die Bühne und hält ein flammendes Plädoyer gegen die aktuellen Zustände in Brasilien. Ihre – durchaus umstrittene – Interpretation ist: Die Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff war in ihren Augen ein Putsch. Auf von den Tänzerinnen und Tänzern hochgehaltenen Plakaten wurde die Interimsregierung von Michel Temer als „illegitim“ bezeichnet. Über diese Frage wird es am 14. Juni um 20 Uhr eine Podiumsdiskussion im HAU 2 geben.

Ihre Choreographie, die im Rahmen des Projeto Brasil-Festivals in Berlin zu erleben war, kann man ohne allzu viel Vorwissen einfach auf sich wirken lassen. Allerdings hat Lia Rodrigues, die zuletzt 2014 mit „Pindorama“ im HAU gastierte, auch einen ganzen Kokon aus Themen gewoben, auf die sie in dieser Arbeit anspielt:

Zunächst ist hier die Ausbeutung Lateinamerikas durch die Kolonialherren zu nennen: Die über weite Strecken des Abends nackten Tänzerinnen und Tänzer bestäuben sich u.a. mit Kaffeepulver, weißem Mehl und mit orangegoldenem Kurkuma-Pulver. Symbolisch steht dies für Kaffee und Gold,  „mit denen die Zerstörung im Regenwald, das Herabstürzen des Himmels begonnen hat„. Da bei den Bewegungen kräftig Staub aufgewirbelt wird, bekam das Publikum am Einlass zu dem recht stickigen Raum Tücher und Fächer angeboten.

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Außerdem ließ sich die Choreografin Rodrigues vom Schamanen Davi Kopenawa inspirieren, der im amazonischen Regenwald  lebt und für die Rechte der indigenen Völker kämpft. Kopenawa warnt die Menschen davor, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fallen werde, wenn sie ihr zerstörerisches Verhalten nicht ändern, fasst der Deutschlandfunk zusammen.

Weitere Aufführungen des Projeto-Brasil-Festivals

Interviews mit der Choreografin Lia Rodrigues hier und hier

Bilder: Sammi Landweer

 

 

 

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