Willkommen bei den Hartmanns

Eine Komödie über die Flüchtlingsdebatte für die Multiplex-Kinos – kann das funktionieren?

Simon Verhoeven hat sich hier einiges vorgenommen. Für „Willkommen bei den Hartmanns“ trommelte er einige bekannte Namen zusammen: allen voran seine Mutter Senta Berger, die hier eine pensionierte Schuldirektorin aus dem linksliberalen Bildungsbürgertum spielt. Die Kinder sind aus dem Haus, ihrer Ehe fehlt schon lange die Leidenschaft. Über die Langeweile in der Münchner Vorstadt-Villa helfen Angelika Hartmann weder ihr Kater noch der reichlich genossene Rotwein hinweg. Deshalb beschließt sie, im Flüchtlingsheim nicht nur Kleider zu spenden, sondern Diallo (Eric Kabongo), der vor „Boko Haram“ aus Nigeria floh, bei sich aufzunehmen.

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Sie hat vertraute Gesichter aus dem Unterhaltungskino der vergangenen Jahrzehnte um sich geschart:  Heiner Lauterbach spielt ihren Mann, den Chefarzt Hartmann, der ein Problem mit dem Älterwerden hat und auch im Job den Weg noch noch lange nicht für Jüngere freimachen will. Seine schlechte Laune lässt er an seinen Mitarbeitern und seiner Familie aus. Mit dem Vorschlag seiner Frau, einen Flüchtling aufzunehmen, kann er sich so gar nicht anfreunden. Er begibt sich lieber in die Hände seines Kumpels (Uwe Ochsenknecht als Schönheitschirurg), der seine Falten strafft und ihn mit all seinen Botox- und Silikon-aufgespritzten Kundinnen mit ins Nachtleben nimmt. Frau Hartmanns ehemalige Kollegin Heike (Ulrike Kriener) erfüllt jedes Klischee einer neurotischen Alt-68erin, die mit Tanztherapien und Willkommenspartys ihr Helfersyndrom befriedrigt und mit ihrem aufdringlichen Überengagement ihrem Umfeld auf den Wecker geht.

Das junge Publikum wird mit Teenie-Schwarm Elyas M´Barek, Palina Rojinski und Florian David Fitz ins Kino gelockt. Ersterer ist der dauergemobbte Assistenz-Arzt Dr. Berger und nach kitschigem Happy-end künftiger Schwiegersohn von Herrn Hartmann.

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Die beiden letzteren sind die erwachsenen Kinder der Familie Hartmann: die Dauerstudentin Sophie mit mehreren abgebrochenen Ausbildungen/Studiengängen sowie der Anwaltsschösel Philipp, der China-Deals einer Großkanzlei einfädelt, sich aber im Lauf des Films läutert.

„Willkommen bei den Hartmanns“ bietet Licht und Schatten: Im Drehbuch stehen einige gelungene Pointen, aber es plätschert auch phasenweise recht banal vor sich hin. Der Film teilt lustvoll nach allen Seiten aus. Die Tanztherapeutin Heike bekommt ebenso ihr Fett weg wie die besorgte Nachbarin, die mit ihren Pegida-Freunden Mahnwachen vor der Villa organisiert. Alle Figuren sind stark überzeichnet, dahinter verbergen sich aber reale Positionen aus der seit über einem Jahr lautstark geführten Flüchtlingsdebatte, die Charaktere spiegeln das gesamte Panorama.

Von manchen Kritikern (z.B. Deutschlandradio Kultur) wurde „Willkommen bei den Hartmanns“ schon als deutscher Film des Jahres bejubelt. Das ist dann doch zuviel der Ehre. Verhoevens Film ist eine solide Komödie, die auf ein breites Publikum zielt und dabei einige Kompromisse wie das kitschige Happy-end macht. Nicht jeder Gag zündet, aber dank einiger netter Pointen und schöner Beobachtungen des Münchner Wohlstands-Bürgertums, die tatsächlich etwas an den Stil von Helmut Dietl erinnern, bietet der Film recht gute Unterhaltung.

„Willkommen bei den Hartmanns“ startete am 3. November 2016 im Kino. Webseite und Trailer

Bilder: © Warner Bros. Ent.

One thought on “Willkommen bei den Hartmanns

  1. peterschweizer Reply

    Selten habe ich mich mehr über einen Film geärgert, als in diesem fürs Kino aufgeblasenen Mittwochsfilm von Pro7/Sat1. In diesem lieblos heruntergekurbelten Unsinn stimmt überhaupt nichts, weder das Timing noch die Gags, noch das Thema. Ich stelle mal zur Diskussion, was dem Film gefehlt hätte, wäre der “Flüchtling“ nicht das Thema gewesen, sondern dieser Part mit einer Putzfrau, dem fernen Verwandten aus dem Osten oder der verwirrten 100-jährigen Oma besetzt worden? Nichts, er wäre exakt so schlecht gewesen.

    Aber es ist nicht die Beliebigkeit, mit der hier ein wesentliches Thema behandelt wird – es ist einfach nur ein schlechter Film. Wer eine Komödie mit einer Schnarchszene beginnt, der hat einfach keine Ahnung wie Komödie abseits Schenkelklopfen heute geht. Die Charaktere sind uninteressante Abziehbilder und Stereotypen wie es schlimmer nicht mehr geht. Selbst gute Gags werden in der Folge durch die Inszenierung zu peinlichen Witzchen kaputt geschnitten und gespielt. Uwe Ochsenknecht spielt heute nur noch Uwe Ochsenknecht der “lustige” Typen spielt. Der Rest ist gähnende Langeweile. Vielleicht das Schlimmste an diesem \“Wie-stellen-sich-Gutmenschen-eine-lustige-Flüchtlings-Komödie-vor\“-Machwerk ist der Moment als Elyas M\’Barek im Gegenlicht Deutschland als tolles Land bezeichnen und doch mehr Entspannung fordern darf. Aufatmen, wenigstens beim Türken hat das mit der Integration geklappt. Ich wollte mich übergeben, das wäre aber der Ehre zuviel gewesen.

    Wieviel hätte man aus diesem Thema machen können? Viel viel mehr. Aber so hat Deutschland genau die Art von Auseinandersetzung mit dem Thema Flüchtlinge bekommen, die es verdient hat.

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