Unter Eis

Nach längerer Zeit ist im Saal C der Schaubühne am Lehniner Platz wieder Falk Richters Frühwerk „Unter Eis“ zu sehen. Das Stück stammt aus dem Jahr 2004: Gerhard Schröder setzte damals gegen Proteste aus der eigenen Partei und die Montagsdemos seine „Agenda 2010“ mit Hartz IV durch, bevor er ein Jahr später abtreten musste. Fast in jeder Talkrunde von Sabine Christiansen wurde darüber debattiert, wie man die „Deutschland-AG“ für den Weltmarkt fit machen könne. Die öffentliche Debatte wurde von den Sprechblasen der Unternehmensberater dominiert.

Falk Richter und sein Dramaturg Jens Hillje ließen ihre drei Schauspieler Thomas Thieme, Mark Waschke und André Szymanski an einem langen Konferenztisch mit Hochglanz-Glasfläche Platz nehmen. Das Publikum wird mit den Worthülsen des McKinsey-Sprechs bombardiert, dazwischen liest Thomas Thieme längere Monologe der Hauptfigur Paul Niemand: mit Mitte 40 spürt er den Atem der ehrgeizigen Schnösel in seinem Nacken und blickt zurück auf sein bisheriges Berufsleben: sein Hetzen von Gate zu Gate, von Termin zu Termin. Jetzt hat er den Abstieg vor Augen: statt London, Paris, New York nur noch Bremen, Kiel, Oldenburg, Fürstenfeldbruck. Er bleibt einfach sitzen, als sein Name am Flughafen ausgerufen wird.

Falk Richter gelang es in diesem Stück am Beginn seiner Karriere noch nicht so gut, seine Stoffe zu einer so packenden Gesellschaftsanalyse wie in „Never Forever“ oder „Fear“ zu verdichten. In der ersten Stunde wird zu frontal und mit zu wenig Reibung der Manager-Sprech heruntergebetet. Im letzten Drittel wird Jan Pappelbaums Bühne von Video-Einspielern glatter Wolkenkratzer-Fronten überschattet, André Szymanski übt sich in einer längeren Szene als Robbe und quält sich über die Eiswürfel auf der Tischfläche.

Die titelgebende Metapher „einer Katze, die aus einem hohen Gebäude geschleudert einer zufrierenden Wasserfläche entgegenfällt, bevor sie in ewiger Erstarrung fossilisiert“ fand der Deutschlandfunk-Kritiker schon nach der Premiere zurecht etwas angestrengt.

Im Programmheft wird Marc Bauder gedankt: Er ist ein sehr genauer Beobachter der Parallelwelt hinter den Glasfassaden. Vor kurzem war in der ARD sein Film „Dead Man Working“ zu sehen, vor allem lohnt sich sein Dokumentarfilm „Master of the Universe“.

„Unter Eis“ hatte am 15. April 2004 an der Schaubühne am Lehniner Platz Premiere. Weitere Informationen und Termine

Bild: Arno Declair

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