Endspiel

Zwei Welten treffen aufeinander: die scharfkantigen Sätze von Samuel Beckett und die verspielte Ästhetik von Robert Wilson.

In „Endspiel“ konfrontiert Beckett sein Publikum mit vier verzeifelten Gestalten. Sie könnten die letzten Überlebenden des Atomkriegs sein. Der blinde Hamm (Martin Schneider) sitzt auf seinem Thron und kommandiert seinen Diener Clov (Georgios Tsivanoglou) herum. Die beiden können nicht mit-, aber auch nicht ohne einander. Hamms Eltern Nagg (Jürgen Holtz) und Nell (Traute Hoess) leben in Mülltonnen – bei Wilson tauchen sie als „Talking Heads“ aus Löchern im Bühnenboden auf –  und melden sich zwischendurch zu Wort: sie erzählen zum x.-ten Mal denselben Witz und fallen sich gegenseitig in Wort.

Die düstere Unerbittlichkeit dieser Versuchsanordnung knallt Regisseur Robert Wilson seinem Publikum zwei Mal an den Kopf: ganz zu Beginn, als Martin Schneiders Hamm auf der dunklen, leeren Bühne herumbrüllt. Zunächst ist er kaum zu verstehen, bei jeder Wiederholung wird klarer, was er schreit: „It´s nearly finished!“ – Ein doppeldeutiger Kommentar zum nahenden Ende der Ära Claus Peymann im Sommer 2017.

Einen weiteren Brüll-Monolog hat Hamm kurz vor Schluss: diesmal grell ausgeleuchtet hinter einem Lamellen-Gitter, so dass er wie ein gefährliches, wildes Tier wirkt.

Im langen Mittelteil setzt Wilson auf seine gewohnte Ästhetik, die das Publikum aus zahlreichen Inszenierungen am BE kennt: Tsivanoglu trippelt hin und her, mit breitem Grinsen und weiß geschminkt.

©lovis ostenrik

Wilson zeigt Becketts Figuren als Clowns, die es sich in ihrer absurden Existenz gemütlich eingerichtet haben. Der Regisseur bietet das, was er wie kaum ein anderer beherrscht: ausgefeilte Lichtchoreographien und Schattenspiele. Ästhetisch perfekt, aber auch sehr glatt.

Beckett und Wilson: die meiste Zeit stehen die gegensätzlichen Welten unverbunden nebeneinander. Die Zeit verrinnt. Zur Auflockerung darf Jürgen Holtz noch einmal sein Können zeigen: als Nagg kräht er dazwischen, stolz auf den Witz, den alle bereits auswendig kennen, den er aber trotz aller Anstrengung nicht gut erzählen kann.

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Diese Nummer eines traurigen Clowns ist ein weiteres Endspiel eines großen Schauspielers.

„Endspiel“ von Robert Wilson hatte am 3. Dezember 2016 am Berliner Ensemble Premiere. Weitere Informationen und Termine

Bilder: © Lovis Ostenrik

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