Die NSU-Monologe

Dieser Abend im Studio des Heimathafens Neukölln ist von minimalistischer Ästhetik geprägt. Vier Schauspielerinnen und Schauspieler stehen frontal vor dem Publikum und sprechen verdichtete Interview-O-Töne der Angehörigen der NSU-Opfer.

Die „NSU-Monologe“ folgen dem Konzept, das aus anderen Arbeiten der „Bühne für Menschenrechte“ bekannt ist. Im Mittelpunkt steht das gesprochene Wort, das aufrütteln und auf Missstände hinweisen soll. Die Schauspieler übernehmen eine dienende Rolle, sie treten hinter den Familien der NSU-Opfer zurück, deren Erfahrungsberichte sie dem Publikum vortragen. Knapp 100 professionelle Schauspielerinnen und Schauspieler und Musikerinnen und Musiker haben sich zu dem Netzwerk „Bühne für Menschenrechte“ zusammengeschlossen: so kann ihre Dokumentar-Theater-Stücke in wechselnder Besetzung ohne größeren logistischen Aufwand an verschiedenen Orten aufgeführt werden.

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Die Berichte der beiden Witwen Elif Kubaşık und Adile Şimşek und von Ismail Yozgat, der seinen Sohn verloren hat, verfehlen ihre Wirkung nicht: Die Leidensgeschichten der Hinterbliebenen, die mit infamen Unterstellungen leben mussten, sind zwar bereits aus zahlreichen Zeitungsreportagen und TV-Dokumentationen bekannt und waren auch schon Stoff anderer Theaterinszenierungen wie „Die Lücke“ (Kritik). Aber die komprimierte Form, mit der hier all die Vorwürfe gegen die Opfer noch mal auf das Publikum einprasseln, ist eindrucksvoll und bedrückend: Die Toten wurden als Mafiosi, Drogendealer, PKK-Terroristen oder Ins-Rotlicht-Milieu-Verstrickte verdächtigt. Ermittlungsansätze, dass es sich um rechtsextremen Terror handeln könnte, wurden ein Jahrzehnt lang konsequent ausgeblendet.

Die Monologe machen die Verzweiflung der Hinterbliebenen spürbar, die vom Verlauf des derzeit laufenden Prozesses gegen Beate Zschäpe enttäuscht sind, und Angela Merkel vorwerfen, dass sie ihr Versprechen, alles zu tun, um die Mordserie aufzuklären, nicht eingehalten hat. Es bleiben auch fünf Jahre nach der Entdeckung des Trios zu viele Ungereimtheiten und drängende Fragen nach der Rolle des Verfassungsschutzes und des Unterstützer-Netzwerks.

Die Texte sind so kraftvoll, dass es der Cello- und Klavier-Begleitung gar nicht bedruft hätte. Im Gegenteil: Vor allem in der zweiten Hälfte dieses knapp 90minütigen Abends werden die Monologe von einem Klangteppich überlagert, der eher störend wirkt.

„Die NSU-Monologe“ wurden am 3. November 2016 anlässlich des 5. Jahrestages des NSU-Skandals im Heimathafen Neukölln uraufgeführt.

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Bilder: Schokofeh Kamiz

 

 

 

 

 

 

 

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