Acceso

Sichtlich mitgenommen, schwer atmend und schwitzend schleppt sich Roberto Farías als Sandokán aus dem Dunkel auf die Bühne. Im für Verkaufssender typischen Singsang preist er allerlei Ramsch an: Alles muss raus! Nur 2.000 Pesos!

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Die Verkaufsshow wird durch plötzliche Erinnerungs-Flashbacks mehrfach unterbrochen: in diesen stärksten Passagen seines Monologs erzählt der Performer von den Misshandlungen durch katholische Priester aus seiner Zeit als Ministrant. In allen beklemmenden Details schildert er, wie er von den Tätern zum Sex genötigt und auch weiteren Stützen der vornehmen chilenischen Gesellschaft als Lustobjekt zur Verfügung gestellt wurde.

Als er im letzten Flashback erzählt, dass er schließlich auch seine Schwester mitgebracht habe, verschiebt sich das Bild: aus den Missbrauchs-Tätern werden „Onkels“, wie er sie nun zärtlich nennt, die ihn immer liebevoll behandelt hätten.

Der auf den wichtigsten internationalen Filmfestivals von Venedig bis Cannes gefeierte Regisseur Pablo Larraín, der den Monolog „Acceso“ gemeinsam mit dem Darsteller Roberto Farías entwickelt hat, erzählt in seinem Theater-Debüt eine alternatives Ende zu seinem bei der Berlinale 2015 mit dem Silbernen Bären ausgezeichneten Kinofilm „El Club“ (Kritik). Damals tauchte Farías in der Rolle des Missbrauchsopfers plötzlich in einer abgeschotteten Residenz in einem entlegeneren Winkel auf, an dem die katholische Kirche pädophile Priester versteckt hat. Er macht seinem Peiniger Vorwürfe und zwingt die Priester, sich mit ihren Verbrechen auseinanderzusetzen.

Anders in diesem weniger als eine Stunde kurzen Theater-Monolog: er verteidigt die Täter und projiziert seine Wut zunächst auf die staatlichen Behörden, die ihn in Heime gesteckt und mit Psychopharmaka ruhiggestellt haben, und schließlich auf das Publikum, das er in einer für das FIND-Festival 2017 fast schon obligatorischen Beschimpfung als „deutsche Kartoffeln“ anpöbelt.

Zuvor reckte er einem Zuschauer den Stinkefinger entgegen. Das war die Quittung dafür, dass er vergessen hatte, sein Smartphone rechtzeitig stumm zu schalten, das nun mit lautem Klingelton in die Performance platzte.

„Acceso“ ist eine Co-Produktion der Association Sens Interdits (Frankreich) mit Fitam (Fundación Teatro a Mil, Chile) und war am 1./2. April 2017 beim FIND-Festival an der Berliner Schaubühne zu Gast.

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Bilder: Sergio Armstrong

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