Baal

Dass auch epochale Dramatiker wie Bertolt Brecht ihre Anlaufschwierigkeiten hatten, lässt sich derzeit an mehreren Berliner Bühnen studieren. Das Gorki Theater grub im März mal wieder „Dickicht der Städte“, eine ziemlich krude Kolportage, aus (Kritik). Das Berliner Ensemble zog im April nach und beauftragte Sebastian Sommer, von dem u.a. bereits „Hans im Glück“ (Kritik) und „Kaspar“ (Kritik) zu sehen waren, mit einer „Baal“-Inszenierung.

Dieses Stück, das B.B. mit gerade mal 20 Jahren schrieb, entwickelte sich zum Mythos. Sofort hat man die Bilder des jungen, berserkerhaften Rainer Werner Fassbinder aus Volker Schlöndorffs Verfilmung vor Augen (Kritik), der sich einen feuchten Dreck um die gesellschaftlichen Konventionen schert, alle Fans und Gegner manipuliert und sich animalisch-triebhaft den Weg durch sein Leben bahnt.

Wenn man den Mythos aber mal genauer ansieht, entpuppt sich das Stück, das Brecht in mehreren Fassungen immer wieder umbaute und verwarf, als eine „dramaturgische Katastrophe“, wie Steffen Sünkel, Dramaturg dieser Produktion, im Publikumsgespräch einräumte. Brechts „Baal“ hat manche Längen, schweift allzu oft assoziativ ab und ist streckenweise schlicht langweilig.

Da sich das Berliner Ensemble unter Claus Peymanns Intendanz die Werktreue auf die Fahnen geschrieben hat und die Brecht-Erben bekanntlich mit Argusaugen über das Urheberrecht wachen, schleppt sich auch dieser Abend auf der von Altmeister Karl-Ernst Herrmann eingerichteten Probebühne lange zäh dahin.

BAAL von Bertolt Brecht im Berliner Ensemble/ Probebuehne

Die Handbremse wird erst gelöst, wenn Matthias Mosbach einen seiner Soloauftritte hinlegen darf. Er ist ein untypischer Baal, bei weitem keine so massig-raumfüllende Erscheinung wie Fassbinder oder Ulrich Wildgruber in der Frankfurter Inszenierung von Hans Neuenfels oder Christoph Franken vor einigen Jahren am Deutschen Theater Berlin (Kritik). Mosbach wirkt auf den ersten Blick wesentlich unscheinbarer, hat aber schon in Leander Haußmanns „Räuber“-Inszenierung (Kritik) nebenan auf der großen Bühne Publikum und Kritik überrascht, welche Rampensau-Qualitäten in ihm stecken.

Er trägt diese „Baal“-Inszenierung und spielt die Titelfigur als animalischen Verführer, der auch mal ins Publikum geht und eine Frau auf die Bühne holen will, die sich jedoch hartnäckig weigert. Er benutzt die Menschen um sich herum und wirft sie weg, wenn er den Spaß an ihnen verloren hat. Die Bühne wird zu einer regendurchtränkten Lehmgrube.

BAAL von Bertolt Brecht im Berliner Ensemble/ Probebuehne, Probenfoto

Ansonsten werden die Durstrecken der Inszenierung noch mit einigen Insider-Gags aufgelockert: Baal ritzt sich die Stirn im Stil von Rainald Goetz damals beim Bachmann-Wettbewerb auf, spielt auf Thomas Brasch an und lässt sich in einer längeren Szene über den Wechsel an der Spitze des Hauses von Peymann zu Reese und die vieldiskutierte prekäre Vertragssituation der Schauspielerinnen und Schauspieler aus.

„Baal“ hatte am 6. April 2017 auf der Probebühne des Berliner Ensembles Premiere. Weitere Informationen und Termine

Bilder: Barbara Braun

 

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