Kafkas Schloss

Jeder ist K., keiner ist K.: Das ist das Prinzip der Inszenierung „Das Schloss“ von Nicolas Charaux, die er nach Franz Kafkas berühmtem Roman-Fragment am Münchner Volkstheater erarbeitete.

Alle Schauspielerinnen und Schauspieler treten im Einheitslook auf: bleich geschminkte Gesichter mit schrundigen Flecken und schwarzen Augenringen; sibirische Pelzmützen und lange Mäntel; darunter eine an Mao erinnernde, graue Arbeitskluft. Auf der kahlen Bühne haben sie sich in der kleinen Wirtsstube versammelt, in der K. strandet.

Anfangs hält sich Charaux eng an die Romanvorlage: die Szenen werden chronologisch nachgespielt. Mit stark überzeichneten Gesten, aufgerissenen Augen und Mündern zeichnet das Ensemble die Stationen des K. nach. Dieser Teil des Abends erschöpft sich in einer szenischen Nacherzählung mit pantomimischen, oft schon fast clownesken Elementen.

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Erst in der letzten halben Stunde nimmt sich Charaux mehr Freiheiten: ganze Kapitel und Erzählstränge werden gestrichen, die Familie des Barnabas taucht beispielsweise gar nicht auf. Als Charaux wagt, nicht mehr so nah an der Vorlage zu kleben, gelingt es ihm besser, die kafkaeske Stimmung auf die Bühne zu bringen.

Die beste Szene des Abends kommt kurz vor Schluss: Jakob Gessner muss die Drehbühne eine gefühlte Ewigkeit anschieben, bis er schweißüberströmt und schwer atmend einen der letzten Monologe des K. zu halten hat. Mara Widmann steht in der Bühnenmitte, redet in der Rolle des Sekretärs Bürgel schier endlos auf ihr Mikrofon ein und philosophiert über die nächtlichen Vorladungen.

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Wie bei so vielen Texten, die nicht für die Bühne geschrieben sind, zeigt sich jedoch auch an diesem Abend: der gehetzte Sound von Kafkas Satzgirlanden und die paranoide Atmosphäre wirken am besten bei der Lektüre des Originals. Für die Bühne lässt sich das nur schwer adaptieren, nur eine vage Annäherung ist möglich.

„Das Schloss“ nach Franz Kafka hatte am 26. Januar 2017 am Münchner Volkstheater Premiere. Weitere Informationen und Termine

Bilder: Arno Declair

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