Beben

Maria Milisavljevic schrieb eine rätselhafte Textfläche: klare Rollen oder präzise Figuren sucht man auf den wenigen Textseiten, die der aktuellen „Theater heute“-Ausgabe beiliegen, vergeblich.

Apokalyptische Grundstimmung trifft auf 80er Nostalgie, Kalauer über Angela Merkel, die Grünen und die „Bielefeld-Verschwörung“ stehen unvermittelt mythologisch-raunenden Anspielungen auf William Blake.

Was macht man mit so einem Text über ein namenloses „Wir. Wer immer und wie viele wir auch sind“? Volker Metzler, neuer Schauspieldirektor im Theater an der Parkaue, entschied sich bei der Premiere zur Wiederöffnung des renovierten Hauses, dass sein überwiegend sehr junges Ensemble Vollgas geben darf.

In den etwas mehr als 90 Minuten bringt sein Ensemble noch mehr hämmernde Beats unter als Yael Ronens „Roma Armee“ und probiert fast so viele verschiedene Tanzstile aus wie Chris Dercon und Boris Charmatz in ihrem „Fous de Danse“-Marathon auf dem Tempelhofer Feld. Johannes Schäfer gibt von seinem Mischpult im Zentrum aus den Rhythmus vor, die Performer balancieren, kriechen, turnen, tanzen oder rennen über die schiefe Konstruktion, die ebenso kreideweiß ist wie die Kleidung der Schauspieler und die Bühne einrahmt. Beides (Kostüme und Bühnenbild) gestaltete Claudia Charlotte Burchard.

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Die gewünschte bedrohliche Stimmung entsteht durch großformatige Videos von Wolfgang Gaube, die im Hintergrund flimmern, Verrenkungen und spitze Schreie der Schauspieler und die rausgeschleuderten, manchmal nur gestammelten Textbrocken.

Musikalisch bedient sich der Abend nicht nur bei Rap und Hiphop, der Domäne von Johannes Schäfer, sondern bei den Roaring Twenties, beim Punk, bei getragenen klassischen Harmonien und am liebsten beim Besten aus den 70ern, 80ern und 90ern, gerne darf es auch eine „Queen“-Parodie sein oder einfach nur sanfte Begleitmusik zu pantomimischem Ausdruckstanz.

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Dankenswerterweise sind die Anspielungen auf Merkel und die Kalauer über Bielefeld einfach gestrichen. Am Theater an der Parkaue hat man sich außerdem entschieden, dem rätselhaften Text von Maria Milisavljevic noch eigene nicht weniger rätselhafte Passagen hinzuzufügen. Beim Betreten des Saals wird das Publikum von einer im Chor gesprochenen, lauter werdenden Schleife über das vor der Tür liegende Gewissen empfangen. Bevor das Saallicht ausgeht, drehen sich die Schauspieler im Kreis und besingen ein Zirkuspferd.

Bilder: Christian Brachwitz

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