Eine Familie

Die „Grand Old Party“ liegt in Trümmern. Ehrbare konservative Politiker wie John McCain sind im Abseits und versuchen, das Schlimmste von dem zu verhindern, was der rechtspopulistische Sprücheklopfer im Weißen Haus anrichtet.

Aber nicht nur die Partei der Republikaner ist in der Sinnkrise, auch die traditionellen Werte, die sie sich auf ihr Banner geschrieben haben, sind arg lädiert. Das Bild von den tapferen, hart arbeitenden Familien des Mittleren Westens, die aufrecht durchs Leben gehen, auch in schlechten Zeiten zusammenstehen und das moralische Rückgrat von „God´s own country“ bilden, war natürlich immer eine idealisierte Vorstellung. So zerrupft wie im Pulitzerpreis-gekrönten Drama „Eine Familie“, das Tracy Letts 2007 während der Agonie von George W. Bushs zweiter Amtszeit und kurz vor dem Platzen der Immobilienblase schrieb, wurden die amerikanischen Mittelschichtsfamilien aber lange nicht dargestellt.

Oliver Reese brachte seine Frankfurter Inszenierung mit an seine neue Wirkungsstätte am BE: ein mit dreieinhalb Stunden überlanger Abend für ein großes Ensemble, der in zwei dramatischen Szenen kulminiert. Vor der Pause schleudert Corinna Kirchhoff in einem großen Auftritt als mehrfach suchtkranke Violet (Tabletten und Zigaretten sind ihre ständigen Begleiter) ihre Giftpfeile gegen alle Familienmitglieder, die nach dem Begräbnis ihres Mannes an der Tafel sitzen.

Der zweite starke Moment dieses Theaternachmittags war ihre Konfrontation mit ihren beiden Töchtern Barbara (Constanze Becker) und Ivy (Bettina Hoppe), die zusammenbricht, als sie erfährt, dass ihr Liebhaber, mit dem sie in NYC ein neues Leben beginnen will, ihr Halbbruder ist.

Eine Familie/Berliner Ensemble

Bis zu diesen beiden Höhepunkten schleppt sich Oliver Reeses Inszenierung viel zu langatmig dahin. Auch die Hollywood-Verfilmung des Stücks mit Meryl Streep und Julia Roberts, die im März 2014 unter dem Titel „Im August in Osange County“ in die deutschen Kinos kam, war recht ermüdend und hatte einige Mängel. Regisseur John Wells gelang es in den zwei Stunden jedoch deutlich besser, das Stück zu verdichten und den Spannungsbogen zu halten.

Positiv hervorzuheben sind außer den beiden genannten Szenen die Gesangseinlagen von Carina Zichner, die vor den überdimensionalen Videos eines Roadtrips durch die Weiten des Mittleren Westens und von einer fünfköpfigen Band begleitet mit ihren Country- und Blues-Songs überzeugen konnte. Ihr Talent als Sängerin macht neugierig auf ihre Liederabende im Kleinen Haus des Berliner Ensembles. Sie wäre auch eine ideale Mitstreiterin beim Blues- und Country-Abend „Home is where the heart is“, den Maren Eggert und Peter Jordan mit musikalischen Freunden regelmäßig einige Meter weiter an der Bar des Deutschen Theaters aufführen.

Bilder: Birgit Hupfeld

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert