Versetzung

„Da mag Glas sein, aber man sieht einander“, sagt Ronald Rupp (Daniel Hoevels) in einem seiner langen Monologe. Tatsächlich wirken alle Figuren und der ganze Theaterabend wie hinter Glas.

„Versetzung“, ein Auftragswerk von Thomas Melle für das Deutsche Theater Berlin, ist thematisch hoch interessant. Wie schon in seinem Bestseller „Die Welt im Rücken“, das Joachim Meyerhoff dem Berliner Publikum in seiner Burgtheater-Solo-Adaption im Juni präsentierte, verarbeitet Melle auch in diesem Text seine manisch-depressive Krankheit.

Diesmal steht ein Lehrer im Mittelpunkt: Daniel Hoevels tritt zu seinem ersten langen Monolog vors Publikum und spielt klassischen Frontalunterricht nach. Bis zur Karikatur versucht dieser Lehrer Ronald, es allen recht zu machen: immer ein offenes Ohr für die Sorgen der Schüler, zugleich aber auch sehr angesehen beim Direktor Schütz (Helmut Mooshammer), der ihn als Wunschnachfolger auserkoren hat. Das Glück scheint perfekt, als ihm seine Frau Kathleen (Anja Schneider) auch noch mitteilt, dass sie schwanger ist.

Lars Mollenhauer (Michael Goldberg) und Manu Cordsen (Birgit Unterweger) kreisen als apokalyptische Figuren über die Bühne, machen Andeutungen. Nach und nach enthüllt sich die Wahrheit: vor zehn Jahren hatte Ronald manisch-depressive Episoden. Dank seiner Medikamente hat sich sein Gesundheitszustand gebessert. Aber bei der amtsärztlichen Untersuchung, bevor er in den Staatsdienst übernommen wurde, hat er dies verschwiegen.

Versetzung

Aus den Konflikten, die sich daraus ergeben, hätte ein packender Theaterabend werden können. Regisseurin Brit Bartkowiak hatte mit Daniel Hoevels auch einen tollen Hauptdarsteller, der bei den finalen Hilfeschreien, als er mit Klebeband ans Aquarium gefesselt von allen verlassen ist, alles gibt.

Das Problem des Abends ist aber der Text: viel näher an der Prosa als am Drama, zu viele Monologe und zu wenig Reibung zwischen den Figuren, dazu eine merkwürdig papierne Mischung aus hölzernen und schwülstigen Passagen. Kommt es doch mal zu Dialogen, reden die Figuren in einer völlig alltagsfernen, wie auswendig gelernten Sprache. Deshalb blieb die „Versetzung“ bis zum Schluss wie hinter einer Glaswand eingekapselt.

Bilder: Arno Declair

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