Stress

Adrian Figueroa führte Gespräche mit jungen Straftätern: über ihre Biographie, ihre Träume, ihre Wut und ihre Ohnmacht.

Gemeinsam mit dem Dramaturgen Tunçay Kulaoğlu kompilierte er daraus eine Textfläche, die seine vier Performer sprechen: Nyamamdi Adrian (der Jérôme aus „Peng Peng Boateng“ im Heimathafen Neukölln), Lukas Steltner, Hasan Taşgın und Paul Wollin (bekannt aus den Gorki-Inszenierungen „Fallen“ und „Verrücktes Blut“).

Abwechselnd sprechen sie die Interview-Passagen der Häftlinge, die nie klar einer Person zuzuordnen sind, sondern als diffuser, vielstimmiger Chor von Leidensgenossen wirken. Manche sind bis heute voller Stolz auf ihre Taten. Sie fühlen sich als „echte Männer“, die sich in einer Gesellschaft, die ihnen wenig Chancen bot, nicht zum „Opfer“ machen ließen, sondern zur Wehr setzten. Aus ihrer Sicht nahmen sie sich einfach, was ihnen zustand. Denn wie kann es sein, dass die alleinerziehende Mutter aus Neukölln sich und ihre Kinder mit Putz- und anderen Minijobs über Wasser halten muss, während der Koks-Dealer seine Villa in Eberswalde hat, fragt eine Stimme.

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Andere sind eher zufällig auf die schiefe Bahn geraten, schämen sich dafür und träumen von einem bürgerlichen Leben und einer zweiten Chance: mit Frau, Kind und Häuschen im Grünen.

Der Abend war ursprünglich als Mix aus Tanz und Theater angelegt. Für die Choreographie wurde Kadir „Amigo“ Memiş engagiert, der für seine Breakdance und Hip Hop-Nummern bekannt ist. Leider dominiert in den kurzweiligen 75 Minuten der Sprechtheater-Anteil sehr deutlich. Die Momente, in denen die Regie die vier Jungs etwas von der Leine und in Aktion kommen lässt, lassen erahnen, was für ein kraftvoller, mitreißender Abend dieses Stück hätte werden können.

So blieb es nur bei sehenswertem, aber recht konventionellem Dokutheater.

Bilder: Graziela Diez

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