Alles Schwindel

Schon am dritten Advent feierte das Gorki Theater die Premiere einer unterhaltsamen Revue, die das ideale Stück für den Silvester-Abend ist.

Christian Weise grub „Alles Schwindel“ von Mischa Spoliansky und Marcellus Schiffer aus: in den Archiven ist zu lesen, dass die Uraufführung im Jahr 1931 ein großes Ereignis im Theater am Kurfürstendamm war. Marlene Dietrich reiste dafür extra aus Hollywood an, wo sie seit einem Jahr arbeitete. Der historische Hintergrund: Ihre Hauptrolle in Spolianskys früherem Stück „Zwei Krawatten“ diente ihr als Karriere-Sprungbrett, damals entdeckte sie Josef von Sternburg für „Der blaue Engel“.

Ganz so glamourös ging es im Gorki Theater nicht zu, die prominentesten Gesichter im Publikum waren die glücklose Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan in Reihe Eins sowie die Schauspielerinnen Susanne Wolff und Stefanie Reinsperger. Mischa Spoliansky wäre aber wohl dennoch sehr zufrieden gewesen, wenn er diese späte Wiederaufführung seines damaligen Stücks noch erlebt hätte. Der jüdische Künstler entkam den Nazis und floh nach London, wo er 1985 starb. In der Nachkriegszeit verblasste sein Ruhm, in den vergangenen Jahren erlebt Spolianskys Musiktheater allerdings ein Revival, nicht zuletzt durch die Hommage „Heute Nacht oder nie“, die wenige hundert Meter vom Gorki entfernt im Repertoire der Komischen Oper gespielt wird.

In manchen Szenen erinnert Weises Inszenierung an Herbert Fritsch: viel Slapstick und Körperakrobatik, für die vor allem Jonas Dassler kurz vor Schluss Szenen-Applaus bekommt. Die große Röhre, die an ein Hamsterrad erinnert, kommt allerdings nur kurz nach der Pause in einer der besten Szenen zum Einsatz und steht zu lange ungenutzt im Hintergrund.

In den Nebenrollen spielten sich Mareike Beykirch als prollige, alkoholisierte Kaschemmen-Wirtin, Oscar Olivo in zahlreichen Kleinstrollen mit seinem „Hey, I am Oscar from New York“ als Running Gag und Aram Tafreshian mit einem Wutanfall gegen Jonas Dassler, der ihm frisch von der Schauspielschule kommend die Hauptrolle weggeschnappt habe, in den Mittelpunkt.

Die knapp drei Stunden sind eine launige Boy meets Girl-Geschichte, in der es nur so vor Schwindlern und Hochstaplern wimmelt. Das Publikum bekommt die erwartete nette Unterhaltung geboten. Satirischer Biss, wie er in Christian Weises „Othello“-Inszenierung noch zu spüren war, fehlt allerdings bei „Alles Schwindel“. Der braven Hommage fehlt die Schärfe. Aber auch ohne diese entscheidende Würze wird das Haus am Silvester-Abend voll sein.

Bild: Esra Rotthoff

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