Kontemplativ lässt Ildikó Enyedi die Kamera von Gergely Palós am Alten Botanischen Garten des nordhessischen Universitätsstädtchens Marburg entlang gleiten. Im Zentrum thront ein Gingkobaum. Allein schon die Naturaufnahmen machen „Silent Friend“ zu einem der bemerkenswertesten Filme des Jahres. 

Zwischen drei Handlungsfäden fließt der Film hin und her: 1908 muss die junge Grete (Luna Wedler) viel Häme toxischer Professoren-Platzhirsche über sich ergehen lassen,, als sie sich als erste Frau im Aufnahmeverfahren für ein naturwissenschaftliches Studium durchbeißt. 1972, kurz nach dem Höhepunkt der Studenten-Proteste, flirtet Hannes (Enzo Brumm) schüchtern mit Gundula (Marlene Burow). Als er auf deren Geranie aufpassen soll, stellt er fest, dass sie tatsächlich mit ihm kommunizieren kann und auf ihn reagiert. In der jüngsten Lockdown-Vergangenheit strandet ein Neurologe aus Hongkong (Tony Leung) auf dem leeren Campus und startet via Video-Call mit Alice (Léa Seydoux) seine Forschungen zu den Hirnströmen von Babys.

Was verbindet diese drei Geschichten? Ihre traumverloren-meditative Grundstimmung und eine Natur-Mystik, die in der zweiten Hälfte mehr und mehr ins Esoterische abdriftet. Das Überraschende ist, dass es Enyedi gelingt, dass „Silent Friend“ dennoch nicht in Kitsch und Eso-Quark versinkt, sondern die Balance hält und als sanft dahingleitendes modernes Märchen die Zeit- und Handlungsebenen verbindet. 

Bild:© Lenke Szilágyi / Pandora Film

Das ist neben dem Können der Regisseurin und Drehbuchautorin, die 2017 für „Körper und Seele“ den Goldenen Bären der Berlinale gewann, auch dem starken Ensemble zu verdanken, aus dem Luna Wedler in der Rolle der jungen Feministin herausragt. In Venedig gewann sie den Marcello Mastroianni-Preis für die beste Nachwuchsleistung im Wettbewerb des A-Festivals, die Filmkritik kürte ihn mit dem FIPRESCI-Preis. Der Goldene Löwe blieb „Silent Friend“ jedoch verwehrt, obwohl Around the World in 14 films-Co-Direktor Bernhard Karl in seiner kurzen Einführung betonte, dass es aus seiner Sicht der stärkste Film des Venedig-Jahrgangs 2025 war.

Es folgten viele weitere Festival-Einladungen (z.B. Busan, Chicago mit Silbernem Hugp für die best Kamera, Hamburg, London, Toronto, Valladolid mit Silber Ähre, Vancouver, Zürich). Am 15. Januar 2026 wird der Pandora Verleih „Silent Friend“ in die deutschen Kinos bringen.

Vorschaubild: Pandora Film

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert