Messeschlager Gisela

Während das Stammhaus der Komischen Oper über mehrere Jahre saniert wird, wird hauptsächlich im Schillertheater gespielt, aber auch neue Orte werden ausprobiert. Vor dem Roten Rathaus wurde ein großes Zelt aufgebaut, das vier Sommerwochen zum Spielzeit-Finale mit einer weiteren Ausgrabung bespielt, die für die Komische Oper so typisch ist.

Nach den Operetten jüdischer Exilanten aus der Weimarer Republik startete die Komische Oper mit Gerd Natschinskis 1960 kurz vor dem Mauerbau uraufgeführtem „Messeschlager Gisela“ eine neue Reihe, die einige Werke des „Heiteren Musiktheaters“ wiederbeleben will. So hieß das Genre zwischen Musical und Operette zu DDR-Zeiten. Anspruch war es, den Werktätigen etwas Zerstreuung und Unterhaltung zu bieten, den Broadway-Hits aus dem kapitalistischen Ausland eine heimische Alternative entgegenzusetzen und den Alltag im Sozialismus darzustellen.

Regie übernahm Axel Ranisch, der zwischen Kino, Musik- und Sprechtheater pendelt und in dieser Spielzeit bereits die Tragikomödie „Mutti, was machst Du da?“ am Berliner Ensemble inszenierte. Für die sommerliche Retro-Operette im Zelt bekam er ein prominentes, bunt zusammengewürfeltes Team an die Seite: die musikalische Leitung hat wieder mal – wie so oft an Komischer Oper und BE – Adam Benzwi in seinen bewährten Händen. Die Titelrolle der öffentlichkeitsscheuen Modedesignerin Gisela übernimmt Gisa Flake (einem größeren Publikum vor allem aus der ZDF-heute-show sowie weiteren TV-Auftritten bekannt). Wer vor allem durch sie angelockt wurde, dürfte überrascht sein, wie zurückgenommen und mit angezogener Handbremse sie diese Rolle anlegt. Um sie herum wuselt eine ganze Armada: zunächst ihr Chef Robert Kuckuck (Thorsten Merten), die Karikatur eines von sich eingenommenen, nach dem großen Wurf strebenden VEB-Betriebsleiters, der sich mit seinem Melonen-Kostüm lächerlich macht. In den Mittelpunkt drängt es auch die Chefsekretärin Margueritte Kulicke (Maria-Danaé Bansem), die den Männern den Kopf verdreht, von glamourösen Westreisen träumt und schließlich doch auf den Pfad sozialistischer Tugend zurückgebracht wird. Eine weitere zentrale Rolle hat der Journalist Fred Funken (Nico Holonics, der am Berliner Ensemble u.a. den Mackie Messer spielt), der sich undercover als Lagerarbeiter in den Betrieb einschleicht. Andreja Schneider (Geschwister Pfister) ist in ihrer Paraderolle als strenge Mutter der Compagnie (Werkstattleiterin Emma Puhlmann) zu sehen.

„Messeschlager Gisela“ legt Ranisch als muntere Typenkomödie an. In den knapp 2,5 Stunden wird der kaum noch gespielte DDR-Klassiker, an den sich zuletzt Peter Lund an der Neuköllner Oper wagte, reanimiert. Die politischen Rahmenbedingungen spielen an diesem Abend aber keine so große Rolle, im Zentrum stehen – wie üblich – bei Ranisch die Figuren mit ihren Macken und Träumen, auf die er einen belustigt-liebevollen Blick wirft.

„Messeschlager Gisela“ läuft noch bis 7. Juli in dem schönen Zelt, das an heißen Tagen den Nachteil hat, dass es natürlich nicht so gut klimatisiert ist wie ein Theatersaal. Im nächsten Sommer folgt an derselben Stelle eine weitere Ausgrabung von Gerd Natschinski: „Mein Freund Bunbury“.

Bild: Jan Windszus Photography

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