Weltall Erde Mensch

Die Intendanz von Iris Laufenberg am Deutschen Theater Berlin beginnt mit einem doppelten Déjà-vu an ein stilistisch ganz anderes, einige Kilometer entferntes Haus, die Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz: In der Eröffnungsszene schält sich Sarah Franke als Wortführerin aus der Gruppe. Sie ist die einzige Spielerin des Abends, die nicht fest am DT ist, dem Berliner Publikum allerdings aus dem kurzen Intermezzo von Klaus Dörr (Intendant) und Thorleifur Örn Arnarsson (Schauspieldirektor) von 2019-21 von der Volksbühne bekannt. Der isländische Regisseur brachte sie aus Hannover mit, auch dort fiel sie durch wortgewaltige Monologe auf. Für den launigen Einstieg halten Franke und alle anderen im Ensemble das Sachbuch „Weltall Erde Mensch“ hoch. Für viele im Publikum war es wohl der erste Kontakt mit diesem Buch: von den 1950er bis 1970er Jahren war es ein obligatorisches Geschenk zur Jugendweihe in der DDR. Manche Exemplare sind schon recht vergilbt, bei einigen Ausgaben leuchtet das Design noch in helleren Farben. Doch keine Sorge, dieses Buch bildet nur den losen Aufhänger für eine fast vierstündige assoziative Collage, ganz so wie man es auch von der Volksbühne gewohnt ist.

Nach dem Prolog folgt erst mal die volksbühnigste Szene des Abends: Felix Goeser, der 2009 mit Uli Khuon vom Thalia Theater kam und als einziger aus dem „Weltall Erde Mensch“-Team die gesamte Ära Khuon mitgemacht hat, liefert sich mit Florian Köhler, einem der Spieler, die Laufenberg vom Schauspielhaus Graz mitbringt, ein schräges, von Stanislaw Lems „Gast im Weltraum“ inspiriertes Gedankenspiel-Duell über Eigentum, Kommunismus und Plankton-Arten, in das sich auch Lorena Handschin einmischt, die 2019 in der späten Khuon-Phase ans Haus kam. Wie sich das für Good Old-Volksbühnen-Style gehört, mäandert der Trialog voller Kurzschlüsse, überraschender Wendungen und „Werden Sie nicht albern“-Ermahnungen, natürlich von der Hinterbühne mit Oliver Rossols Live-Kamera übertragen.

Wir befinden uns offensichtlich in einer utopischen, gerechteren Gesellschaft, die kopfschüttelnd auf frühere Entwicklungsstufen der Menschheit zurückblickt, zu denen die Gegenwart ausdrücklich gehört. Der real existierende DDR-Sozialismus, während dessen letzten Zügen Alexander Eisenach als Kind in Ost-Berlin aufgewachsen ist, ist nur noch andeutungsweise im Bühnenbild von Daniel Wollenzin präsent, z.B. mit einem Café Moskau-Logo.

Das Konstruktions-Prinzip der Collage ist recht einfach: jeweils eine Person aus dem bunt gemischten Ensemble aus vertrauten und neuen Gesichtern darf aus der Gruppe heraustreten und sich dem DT-Publikum vorstellen. Die Stränge und Motive sind höchstens lose verbunden. Ein wesentliches Motiv ist die matriarchale Gesellschafts-Struktur von Whileaway, wo es nur noch wenige männliche Exemplare gibt. Dementsprechend dominieren auch die Spielerinnen weite Strecken des Abends: neben den erwähnten Sarah Franke und Lorena Handschin sind dies Julia Gräfner, dem Berliner Publikum schon aus kraftvollen ATT-Gastspielen aus Graz vertraut, die jedoch zuletzt drei Jahre an den Münchner Kammerspielen arbeitete, dort nicht so zur Geltung kam und von Laufenberg zurück in ihr Team geholt wurde, sowie zwei Spielerinnen aus der Gorki-Ära von Armin Petras: Anja Schneider kam schon 2016 quasi zur Khuon-Halbzeit ans DT, Julischka Eichel band sich weiter an Petras und war am DT zuletzt schon als Gast in seiner Eine Frau flieht vor einer Nachricht-Adaption präsent, bevor sie nun ihren Einstand ins neue Ensemble hatte. Den Männern bleiben oft die Rollen der Anhängsel und Clowns: neben den erwähnten Felix Goeser und Florian Köhler sind dies Alexej Lochmann, der ebenfalls aus Graz kam, Caner Sunar (seit 2017 am DT) und ein Duo, das mit Sebastian Hartmann vor einigen Jahren vom auch für Eisenach künstlerisch prägendem Centraltheater Leipzig nach Berlin kam: Peter René Lüdicke eröffnet nach der Pause mit einer Comedy-Slapstick-Nummer als zurückgebliebene Kreatur vor Comic-Bühnenbild, sein Compagnion Manuel Harder fiel kurzfristig krankheitsbedingt für die Premiere aus.

Zwischen all den Astrogatoren, einem aus der Sci-Fi-Literatur von Stanislaw Lem bis Perry Rhodan bekannten Genre-Begriff, und der angedeuteten Lobotomie an Julischka Eichels Gehirn werden zahlreiche Themen von Geschlechterrollen und Identität bis hin zu Tod und Unsterblichkeit verhandelt. Der Ton wechselt zwischen bedeutungsschwer und spielerisch-albern, der dramaturgische Feinschliff (Karla Mäder, Johann Otten) fehlt noch. Das Stück, das Eisenach als „unwahrscheinliche Reise“ gemeinsam mit dem Ensemble entwickelt hat, wirkt eher wie eine Aneinanderreihung von Einfällen und Szenen, die im Endproben-Stadium noch aufgestockt statt kondensiert wurden: auf dem Abendzettel stehen noch 3 Stunden, der Applaus setzte erst nach 3 Stunden 50 Minuten ein und lag damit nah an der letzten Wasserstandsmeldung des neuen Presseteams von 4 Stunden.

Wie von Arbeiten im Volksbühnen-Stil üblich nimmt man im besten Fall ein paar Fragen aus all den Assoziationsgirlanden mit, einige Zuschauer gingen aber auch schon nach der Pause. Iris Laufenbergs Ziel, zum Start Regie-Teams vorzustellen, mit denen sie lange schon arbeitete, insbesondere in Graz, bringt dem Berliner Publikum diesmal noch wenig Neues: Eisenachs Handschrift ist regelmäßigen Theatergängern bereits aus mehreren, mehr oder minder erfolgreichen Arbeiten an der Volksbühne und dem Berliner Ensemble (Felix Krull. Stunde der Hochstapler) vertraut.

Ganz zum Schluss gibt es vom Ensemble, das in Claudia Irros bunten Kostümen freundlich wie Teletubbies ins Publikum winkt, noch einen Appell für mehr Spielfreude und Kreativität auf den Bühnen, das als programmatische Ansage der neuen Intendanz verstanden werden kann. Zu hoffen ist, dass sich dies in den nächsten Monaten noch in schlüssigeren, dramaturgisch gelungeneren Abenden einlöst.

Bilder: Thomas Aurin

One thought on “Weltall Erde Mensch

  1. Rainer Kirmse , Altenburg Reply

    WELTALL – ERDE – MENSCH

    Ein kleines Gedicht

    Am Anfang war der Urknall,
    um uns herum der Nachhall.
    Das Weltall in Expansion
    Milliarden Jahre nun schon.

    Es sind dabei die Galaxien
    einander rasant zu entflieh’n.
    Da ist keine Wende in Sicht,
    irgendwann geht aus das Licht.

    Dunkle Materie ist rätselhaft,
    dunkle Energie nicht minder.
    Das Wissen ist noch lückenhaft,
    man kommt nicht recht dahinter.

    Es braucht wohl wieder ein Genie,
    gar eine neue Theorie.
    Des Universums Architektur –
    Was ist der Sinn von allem nur?

    Uns’re Galaxie ist eine von Milliarden,
    ein Spiralsystem, keine Besonderheit.
    Die Erde hatte die besten Karten,
    hier fand das Leben Geborgenheit.

    Aus toter Materie ging es hervor,
    strebte hin zu höchster Komplexität.
    Die Evolution wirkt als ein Motor,
    der einfach niemals ins Stocken gerät.

    Zahllose Arten entsteh’n und vergeh’n,
    bevor der Mensch betritt die Szenerie.
    Auch dessen Ende ist vorherzuseh’n,
    das ist die kosmische Dramaturgie.

    Der Mensch macht sich die Erde Untertan,
    getrieben vom ewigen Wachstumswahn.
    Autos werden größer, Straßen breiter,
    die Wälder dagegen schrumpfen weiter.

    Es ist höchste Zeit für uns, zu handeln,
    endlich uns’ren Lebensstil zu wandeln.
    Was nützt uns Wohlstand und alles Geld,
    wenn am Ende kollabiert die Welt?

    Man produziert und produziert,
    plündert Ressourcen ungeniert.
    Gewinnmaximierung ist Pflicht,
    die intakte Natur zählt nicht.
    Börsenkurse steh’n im Fokus,
    Umweltschutz in den Lokus.

    Plastikflut und Wegwerftrend,
    man konsumiert permanent.
    Nur unser ständiges Kaufen
    hält das System am Laufen.
    Unser westlicher Lebensstil
    taugt nicht als Menschheitsziel.

    Die Jagd nach ewigem Wachstum
    bringt letztlich den Planeten um.
    Das oberste Gebot der Zeit
    muss heißen Nachhaltigkeit.
    Statt nur nach Profit zu streben,
    im Einklang mit der Natur leben.

    Zu viele Buchen und Eichen
    mussten schon der Kohle weichen.
    Retten wir den herrlichen Wald,
    bewahren die Artenvielfalt.
    Kämpfen wir für Mutter Erde,
    dass sie nicht zur Wüste werde.

    Der Mensch, dieses kluge Wesen
    kann im Gesicht der Erde lesen.
    Er sieht die drohende Gefahr,
    spürt die Erwärmung Jahr für Jahr.
    Homo sapiens muss aufwachen,
    seine Hausaufgaben machen.

    Wir alle stehen in der Pflicht,
    maßvoll leben ist kein Verzicht.
    Teilen und Second Hand der Trend,
    Repair vor Neukauf konsequent.
    Bei allem etwas Enthaltsamkeit,
    nehmen wir uns die Freiheit.

    Für die Zukunft des Planeten,
    weg mit Panzern und Raketen.
    Lasst die weißen Tauben fliegen,
    Aggression und Hass besiegen.

    Keiner ist des Anderen Knecht,
    für alle gilt das Menschenrecht.
    Jeder kann glauben, was er will,
    Frieden und Freiheit unser Ziel.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus Thüringen

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