In unserer Gesellschaft kommt das Thema „Asexualiät“ in der Regel genauso wenig vor wie auf den Kinoleinwänden. Falls es doch mal gestreift wird, handelt es sich meist um flache Schenkelklopfer in Komödien.

Sehr ernsthaft und behutsam widmete sich die litauische Regisseurin Marija Kavtaradze, die auch selbst das Drehbuch geschrieben hat, der Asexualität in ihrem essayistischen Drama „Slow“, das 2023 in Sundance den Preis für die beste Regie gewann.

Zwischen der Tänzerin Elena (Greta Grineviciute) und dem Gebärdendolmetscher Dovydas (Kęstutis Cicėnas) herrscht von der ersten Begegnung an eine besondere Chemie. Scheu beschnuppern sie sich, lachen gemeinsam, ein erster Kuss liegt in der Luft, bis Dovydas unvermittelt sagt: Er empfindet keinerlei Bedürfnis nach Sex, fühlt sich zu keiner Person hingezogen, ist somit asexuell.

In den 108 Minuten loten die beiden aus, wie eine Beziehung zwischen den beiden aussehen könnte: Dovydas sehnt sich nach einer festen Partnerschaft nur eben ohne Sex, Elena hat One-Night-Stands und wechselnde Partner, die auch mal nachts betrunken an die Wohnungstür hämmern oder Nachrichten schreiben.

Viel müssen die beiden reden und aushandeln. Mindestens ebenso wichtig ist in „Slow“ aber der Tanz: Co-Hauptdarstellerin Grineviciute ist tatsächlich Tänzerin und Choreographin. Wir erleben sie nicht nur  bei Proben mit Kollegen, in denen es knistert, sondern in einigen sehr schönen, zentralen Tanz-Szenen. Das Aufräumen der Wäsche wird bei Elena und Dovydas in einem glücklicheren Moment ihrer Beziehung zum Pas de Deux. In einer vollen Kneipe zeigen sie ihre Verbundenheit beim synchronen Tanzen Auge in Auge an gegenüberliegenden Stellen des Raums.

Mit diesem Mix aus Tanz- und Diskursdrama wurde Kavtaradzes „Slow“ zum Festival-Hit: Nach der Sundance-Premiere lief es u.a. in Hamburg und bei „Around the World in 14 Films“ in der Berliner Kulturbrauerei. Im folgenden Jahr reichte Litauen es als Oscar-Nominierung für den besten fremdsprachigen Film ein, am 21. März 2024 brachte Salzgeber „Slow“ in die Programmkinos.

Auch wenn manche Verhaltensweisen des Duos im letzten Drittel etwas unvermittelt und erratisch wirken, so dass „Slow“ das hohe Niveau nicht hält, ist es ein sehenswertes Arthouse-Drama.

Seine TV-Premiere hatte „Slow“ am 16. Juli 2025 in der „Queere Filme“-Reihe des BR, einen Monat lang ist es dort auch noch in der Mediathek verfügbar.

Bilder: Andrius Aleksandriavicius

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