Fernsehgeschichte hat das Interview von Günter Gaus, das er in der ZDF-Reihe „Zur Person“ mit der politischen Denkerin Hannah Arendt im Oktober 1964 führte. Eingehüllt in dichte Schwaden konterte die Kettenraucherin die Journalisten-Fragen mit süffisantem Lächeln, messerscharfem Verstand und je nach Situation mit maliziöser Ironie oder harschem Sarkasmus.
Fünf Spielerinnen aus dem DT-Ensemble (Mareike Beykirch, Svenja Liesau, Abak Safaei-Rad, Daria von Loewenich, Julischka Eichel) versuchen sich abwechselnd am Reenactment des Originals. Mit jeder Minute wird jedoch der große Abstand zum Original deutlicher, das in einem kurzen Ausschnitt ganz zum Schluss eingespielt wird.
Eine merkwürdige Entscheidung des Teams um Regisseurin Theresa Thomasberger und Bernd Isele, den neuen Chefdramaturgen des Hauses, war es, den prominenten Journalisten und späteren Ständigen Vertreter der Bundesrepublik in der DDR von einem Kinderdarsteller verkörpern zu lassen. Was ist Sinn und Zweck dieser Besetzung? Gaus zu veralbern und zu verzwergen? Was ist damit für die Auseinandersetzung mit Hannah Arendt, einer der bedeutendsten Theoretikerinnen und Zeitzeuginnen des 20. Jahrhunderts gewonnen? Meiner Meinung nach nichts.
Wie angekündigt bleiben „Die drei Leben der Hannah Arendt“ nicht beim Reenactment des Interviews aus dem TV-Archiv stehen, sondern spielen die gleichnamige Graphic Novel des US-Amerikaners Ken Krimstein nach, dessen Cartoons u.a. im New Yorker Magazine oder Wall Street Journal erscheinen.
In den knapp zwei Stunden werden die Spielszenen, die chronologisch Arendts Lebensstationen von Königsberg bis New York folgen, zwischen das Interview-Reenactment geschnitten. Es ist ehrenwert, dass vielerorts kurz vor dem 50. Jahrestag von Arendts Tod an diese Denkerin erinnert wird. In den Programmkinos startete vor kurzem eine Dokumentation, am Hamburger Thalia Theater hatte eine biographische Annäherung mit Corinna Harfouch Premiere. Doch worauf will diese Inszenierung „Die drei Leben der Hannah Arendt“ hinaus, die heute in der Kammer des DT Berlin Premiere hatte? Als Hommage bleibt sie zu oberflächlich. Komödiantisch und anekdotisch surft der Abend an einigen Stationen ihres Lebens entlang, im Schnelldurchlauf werden in den letzten Minuten zentrale Begriffe ihrer Schriften eingestreut, ohne etwas zu vertiefen. Im besten Fall weckt die launige Tour bei einigen das Interesse, sich intensiver mit Denken und Werk von Hannah Arendt zu befassen.
Bild: Jasmin Schuller