Einer der großen alten Männer des US-Kinos gab für diesen kompromisslosen von zwei radikalen Frauen: Martin Scorsese las den Roman „Mátate, amor“ der Argentinierin Ariana Harwicz, die damit 2018 für den Booker Prize nominiert war. Er dachte sofort an Jennifer Lawrence, die sich mit ihrer Produktionsfirma Excellent Cadaver an die Schottin Lynne Ramsay wandte, die seit „We need to talk about Kevin“ (2011) mit Tilda Swinton auf packende Psychostudien von Gewaltausbrüchen und Persönlichkeits-Zerfallsprozessen spezialisiert ist.
Der Roman und die Indie-Film-Version erzählen von einer jungen Frau, die eine postnatale Depression erlebt, die sich zur Psychose auswächst. Konsequent aus der Perspektive von Grace erzählt der Film, wie sich die Enge des Landlebens von Montana wie eine Schlinge um ihren Hals legt und wie sie sich in Wutausbrüchen verliert.
Auf jede psychoanalytische Erklärung verzichten Ramsay und ihre beiden Co-Drehbuch-Autor*innen Alice Birch und Enda Walsh, beide erfolgreiche Dramatiker*innen. Die Bilder sollen für sich sprechen. Bedrohlich sind sie von Beginn an, als Grace (Jennifer Lawrence) und ihr Mann Jackson (Robert Pattinson) aus New York in das Haus seines Onkels (Nick Nolte) in Montana umziehen, sind die Farbtöne „graugrün und nikotingelb“, wie Arabella Wintermayr in ihrer taz-Hymne „Gnade dem Tier in mir“ bemerkte. Diese Düsternis ist ein kleiner Vorgeschmack auf die folgenden Abgründe und passt so gar nicht zur Euphorie, mit der Jackson eine rosige Zukunft des Paars ausmalt, während Grace nur halb zuhört und das neue Zuhause skeptisch beäugt.

Bild: MUBI Credit Seamus McGarvey
Die Psychose, in die Grace stürzt, wird nicht linear erzählt, sondern mit kleinen Rückblenden und Zeitsprüngen zu vorwärtstreibender Folk-Musik. Auf den eines zärtlich am Boden liegenden Paares folgen immer verstörendere Szenen von Grace: Lawrence wirft sich komplett in die Rolle, ihre Figur zerkratzt Wände, krabbelt fauchend und bellend über die Wiese, stürzt sich kopfüber durch Glasscheiben oder zerstört das Badezimmer. Wenn die Schwiegermutter zum Kaffeekränzchen lädt und alles friedlich scheint, ist der nächste Ausbruch nur wenige Momente entfernt.
„Die my love“ war eines der Highlights im Wettbewerb von Cannes im Mai 2025, gewann jedoch keine der Palmen. Nach weiteren Festival-Stationen wie London und Wien brachte MUBI dieses sehenswerte Werk am 13. November 2025 in die deutschen Kinos.
Vorschaubild: MUBI Credit Kimberly French