Von einer dysfunktionalen Künstlerfamilie und ihren Verletzungen, die sie sich gegenseitig antun, erzählt der Norweger Joachim Trier in seinem Melodram „Sentimental Value/Affeksjonsverdi“, das in Cannes den zweitwichtigsten Preis, den Grand Prix der Jury, gewann.

Mit vielen, sehr vielen Schwarzblenden machen Trier und sein Kameramann Kasper Tuxen die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen deutlich. Gustav Borg (Stellan Skarsgård) ist ein gealterter Autorenfilmer, der sich auf Retrospektiven feiern lässt und immer noch behauptet, dass ein Künstler-Genie maximale Freiheit braucht. Familie oder Kinder sind nur Anhängsel, derer man sich jederzeit entledigen kann. Naturgemäß ganz anders sieht das seine Tochter Nora (Renate Reinsve), von Panikattacken geplagtes Ensemble-Mitglied des Nationaltheaters in Oslo, die ihm vorwirft, dass er sich nicht gekümmert habe.

Zur Beerdigung seiner Ex-Frau taucht der Fiilmemacher plötzlich wieder auf und möchte einen autobiographischen Film mit der Schauspieler-Tochter drehen. Diese wehrt entschieden ab, er verfällt auf Plan B und dreht mit Hollywood-Star Rachel Kemp (Elle Fanning) eine Netflix-Produktion, die zum Scheitern verurteilt. Recht langatmig erzählt Trier, wie Vater und Tochter, vermittelt von der zweiten Tochter Agnes (Inga Ibsdotter Lilleaas) schließlich doch zueinander finden.

Zu Klaviermusik von Hania Rani plätschert das über weite Strecken gefällig dahin, lange, intensive Blicke werden in diesem Kammerspiel ausgetauscht, von dem einige wenige starke Szenen in Erinnerung bleiben, in denen sich die Konflikte verdichten. Die Kritiken blieben oft wohlwollend bis lauwarm bis auf wenige Hymnen.

Nach der Cannes-Premiere lief „Sentimental Value“ auf diversen weiteren Festivals (z.B. Locarno, London, München mit Publikumspreis, New York, San Sebastian, Telluride, Toronto mit dem 2. Platz beim Publikumspreis, Wien), vergangene Woche eröffnete Triers Kulturbetriebs-Melodram das Festival Around the World in 14 films in der Kulturbrauerei.

Am 4. Dezember 2025 brachte ihn Plaion Pictures in die deutschen Kinos, Norwegen reichte ihn als Oscar-Kandidat für den besten fremdsprachigen Film ein, für den Europäischen Filmpreis 2026 ist er in gleich acht Kategorien nominiert.

Bilder: Kasper Tuxen-Andersen

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