Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße

Kurz vor seinem Tod konnte der vom Krebs gezeichnete Regisseur Wolfgang Becker die Dreharbeiten zu seiner Roman-Verfilmung „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ noch abschließen.

Es entstand ein typischer Becker-Film, typisch in mehrfacher Hinsicht: Es ist wieder eine sympathische, leichte Historien-Dramödie mit schlitzohrigen Figuren. In Beckers Meisterwerk „Good bye, Lenin!“ (2003) war es der junge Alex (Daniel Brühl), der seiner kranken, linientreuen Mutter (Katrin Sass) den Sieg des Sozialismus in immer aufwändigeren Notlügen-Inszenierungen inszenierte. Diesmal dichtet der schluffige Loser Micha Hartung (Charly Hübner), der inmitten alter Filmplakate und Kassetten in einer schlecht laufenden Videothek gammelt, verführt von den Geldscheinen eines Journalisten (Leon Ullrich) die eigene Vergangenheit um.

Maxim Leo erfand in seiner Romanvorlage, die Becker und Constantin Lieb fürs Kino adaptierten, eine Massenflucht mit der S-Bahn im Sommer 1983. Das ist pure Fiktion, aber in der Filmphantasie war am Grenzübergang und Bahnhof Friedrichstraße eine Weiche falsch gestellt, ein Waggon landete in West-Berlin. Der stellvertretende Stellwerksmeister Hartung war schon damals so schludrig und verursachte die Zugumleitung durch eine Unachtsamkeit. Da der Chefredakteur (Arnd Klawitter) eine große Story zum Mauerfall-Jubiläum über den „Oscar Schindler des Ostens“ braucht und Reporter mit den Scheinen wedelt, lässt sich Hartung auf das Spiel ein und zum Helden stilisieren. Als er sich im Talkshow-Rampenlicht neben Kati Witt in immer spektakulärere Details hineinfabuliert und die Staatsanwältin (Christiane Paul), die in jenem fiktiven Flucht-Waggon saß, mit ihrem vermeintlichen Retter zu flirten beginnt, findet er mehr und mehr Gefallen an der Rolle als Medienstar.

Ein zottelbärtiger Dissident (Thorsten Merten) und ein saturierter Stasi-Veteran (Peter Kurth) durchschauen die Lüge und holen zum Gegenschlag aus. Und hier sind wir beim zweiten typischen Becker-Thema: seine leichtfüßigen Komödien drehen sich immer auch darum, wer die Deutungshoheit über die Geschichte hat, insbesondere über die jüngere Mauerfall-Zeitgeschichte.

Ganz zum Schluss hat der Regisseur Becker auch noch einen Cameo-Auftritt: als heillos überforderter Verfassungsschutz-Mann versagt er beim Lippenlesen, während Hartung und seine Staatsanwältin doch wieder zueinander finden.

Achim von Borries, der Becker schon an manchen Tagen bei der Regie unterstützte, und Stefan Arndt kümmerten sich um die Endfassung des Films, die sehr deutlich Beckers Handschrift trägt und neben Christiane Paul („Das Leben ist eine Baustelle“, 1997) in einer tragenden Rolle auch mit einigen Schauspielern wie Jürgen Vogel (Pauls damaliger Filmpartner) oder Daniel Brühl aus seinen früheren Filmen aufwartet, die sich mit Nebenrollen von ihrem Mentor verabschieden wollten.

Am 2. Dezember hatte „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ im Delphi Filmpalast Premiere, fast auf den Tag ein Jahr nach Beckers Tod brachte der X-Verleih ihn am 11. Dezember 2025 in die Kinos.

Bild: © X Verleih AG – Frédéric Batier

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