Cabaret

Mit einer bewussten Irritation beginnt Claus Guth seine Münchner „Cabaret“-Inszenierung. Er beginnt nicht mit dem berühmten „Willkommen/Welcome/Bienvenue“-Eröffnungssong, sondern lässt Vincent Glander zunächst als Hotel-Portier vor den Vorhang treten. Clifford Bradshaw (Michael Goldberg) checkt nach dem Publikum ein: ein melancholischer älterer Herr, der einsam in seinem Zimmer sitzt und sich an vergangene Jahrzehnte sitzt.

Im Programmheft-Interview wird diese ungewöhnliche Setzung schlüssig hergeleitet: der Broadway-Hit, der in der Oscar-gekrönten Film-Version mit Liza Minelli zum Welterfolg wurde, basiert ursprünglich auf den autobiographischen Erinnerungen von Christopher Isherwood, eines jungen US-amerikanischen Schriftstellers, der sich an seine Zeit in Berlin während des Untergangs der Weimarer Republik erinnerte.

Als er das Radio andreht, wird der Eröffnungssong doch noch angespielt und die berühmten Kit Kat Girls und Boys tanzen durch Isherwoods Hotelzimmer. Der vom Portier zum Conferéncier gewandelte Glander lässt nun die weiteren zentralen Figuren des Stücks auftreten: die junge Version von Bradshaw (Thomas Hauser), seine Zimmerwirtin Fräulein Schneider (Cathrin Störmer), ihren jüdischen Geliebten Herr Schultz (Robert Dölle), seine Zimmernachbarin Fräulein Kost (Myriam Schröder), den Jung-Nazi  Ernst Ludwig (Vincent zur Linden) und natürlich Sally Bowles (Vassilissa Reznikoff).

Claus Guth, der üblicherweise an den großen Opernhäusern inszeniert und hier mit dem Musical-Klassiker einen Ausflug ans Bayerische Staatsschauspiel macht, betont in seiner Inszenierung das Düstere und den bevorstehenden Untergang der Weimarer Republik. Nach der Pause wird der Conférencier mit Clownsnase zur unberechenbaren Joker-Figur, jeder Glitzer und Glamour weicht der rauen Betonwand auf der leergeräumten Bühne.

Aber schon zuvor, in der Enge des Hotelzimmers, ist der Tanz auf dem Vulkan, der die Endphase der Weimarer Demokratie prägte, kaum zu spüren. Der Preis für Guths Regie-Ansatz ist, dass die Handbremse angezogen bleibt und die Fallhöhe für den Absturz am Ende fehlt.

Was in diesen knapp 2,5 Stunden umso reichlicher vorhanden ist, ist der bestialisch stinkende Qualm. Auf der Bühne wird ohne jeden dramaturgischen Grund in sehr vielen Szenen geraucht, die Schwaden wabern vor sich hin und machen den Abend zu einem sehr unangenehmen Erlebnis. Seltsam, dass in dieser Spielzeit in München wieder so viel gequalmt und gequarzt wird. Das schien längst überwunden, fiel aber auch schon gegenüber in den Münchner Kammerspielen beim „Wallenstein“ negativ auf.

Lichtblicke in dieser „Cabaret“-Inszenierung ist neben dem wandlungsfähigen Conférencier die Spielfreude von Vassilissa Reznikoff als Sally Bowles, die durch den Abend wirbelt und am ehesten den „Tanz auf dem Vulkan“ verkörpern darf.

„Cabaret“ hatte am 12. Dezember 2025 im Residenztheater Premiere, die nächsten Vorstellungen insbesondere an Silvester sind ausverkauft. Der Musical-Klassiker ist natürlich weiterhin eine sichere Bank für ein volles Haus.

Bilder: Monika Ritterhaus

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