Sichtlich heruntergekommen ist der Pausenraum für die Reinigungskräfte eines Schlachthofs, den Natasha Jenkins für die Schaubühne gestaltet hat. Eine Festanstellung hat nur Michael (Kay Bartholomäus Schulze), die drei Frauen kommen entweder vom Jobcenter oder über eine Zeitarbeitsfirma.
In der Tradition des britischen Sozialrealismus hat sich Regisseur Alexander Zeldin, in den vergangenen Jahren Stammgast beim FIND-Festival der Schaubühne, auf Milieustudien abseits des Bildungsbürgertums spezialisiert, das weiterhin die Kernklientel der Theaterhäuser ist. Bereits 2014 erarbeitete er „Beyond Caring“ in London mit Laien, mit fünf Ensemble-Spieler*innen der Schaubühne realisierte er 2022 eine neue Fassung.
In der ersten Hälfte wird die Studie prekärer Beschäftigung erstaunlich oft komödiantisch gebrochen. In kleinen Sketchen scheitert Sonja (Jule Böwe) am Bedienen der überdimensionalen Reinigungs-Maschine, die Richtung Publikum rollt, oder verliert sich Teamleiter Jan (Damir Avdic) in einem peinlichen Mansplaining-Monolog.
Diesen beiden Schauspieler*innen gelingt auch die präziseste Figurenzeichnung: Böwe als schüchterne Frau mit hängenden Schultern und schlurfendem Gang, die immer wieder bang fragt, ob das Gehalt am kommenden Dienstag auf ihrem Konto eingehen wird und sich ansonsten in ihrem prekären Minijob ohne realistische Aufstiegschance eingerichtet hat. Avdic als Macker, der versucht, typische Strategien aus Personalführungs-Lehrbüchern und Coaching-Seminaren auf die Welt der Leiharbeit zu übertragen, und sein Team mit der vagen Aussicht auf eine Festanstellung zu Überstunden zu Dumping-Preisen treibt.
In den stärkeren Momenten gelingt der Inszenierung ein ungeschönter Blick auf die Situation der ausgebeuteten Reinigungskräfte. In der zweiten Hälfte zerfasern die 100 Minuten aber zusehends, eine Sexszene zwischen Becky (Julia Schubert) und Michael oder das unmotivierte Stroboskop-Gewitter, mit dem der Abend unvermittelt endet, hinterlassen den Eindruck, dass Zeldin und sein Team nach konzentrierter erster Hälfte nicht mehr so recht wussten, was sie erzählen wollen.
„Beyond Caring“ ist seit 27. April 2022 im Repertoire der Schaubühne.
Bilder: Gianmarco Bresadola