Mit einer kleinen, 40 Minuten kurzen Tanzperformance der hauseigenen Jugendgruppe Aktionst*innen verabschiedete sich das Gorki Theater in die Sommerpause. Diversität ist ein Markenkern dieses Hauses, aber selbst für Gorki-Verhältnisse ist die Gruppe mit PoC und Spieler*innen mit Behinderung bemerkenswert divers.
Um die Ausgrenzung von Minderheiten und den Rechtsruck geht es in dieser Choreographie. In kreisenden, schwingenden Bewegungen findet das Ensemble immer wieder zu einer Einheit zusammen, die sich gegen die Gefahren den Rücken stärkt. Spärlich sind die Text-Einsprengsel, im Mittelpunkt stehen Tanz und Bewegungsmuster, die sich z.T. auch in Soli beim HipHop und Breakdance bedienen.
Modjgan Hashemian, eine Berliner Choreographin mit iranischen Wurzeln, erarbeitete das kurze Stück mit den Jugendlichen. Sie ist Shermin Langhoff schon seit der gemeinsamen Arbeit am Ballhaus Naunynstraße verbunden und inszenierte in den vergangenen Jahren regelmäßig auf der Studio-Bühne.
Die betont düstere Lichtstimmung störten leider einige übereifrige Freunde der Aktionist*innen, die ca. 90 % der Vorstellung mit hellem Display mitfilmten. Der Appell der Intendantin zu Beginn, bitte alle Handys auszuschalten, verhallte.
In ihre letzte Spielzeit startet Langhoff mit bemerkenswertem Elan: es gelang ihr, profilierte Spieler*innen wie Jonas Dassler, Anastasia Gubareva, Orit Nahmias und Aleksandar Radenkovic zurück ins Ensemble zu holen. Vor allem im Oktober und November 2025 ballen sich im Rahmen des letzten Gorki-Herbstsalons zahlreiche hochkarätig besetzte Premieren, auf die man gespannt sein darf.
Bild: Ute Langkafel MAIFOTO
Neda
In „Upside down – Inside out“ werden Themen verhandelt, die bei Teilen des Publikums – insbesondere weißen Rezipient*innen – offenbar Irritation oder Unverständnis auslösen. Die fragmentierten Texte der Jugendlichen transportieren weit mehr als in der besprochenen Kritik erkennbar wird. Die Perspektive des Autors scheint durch eine begrenzte eigene Erfahrung geprägt zu sein, was eine tiefere inhaltliche Auseinandersetzung erschwert.
Dabei bleibt unberücksichtigt, dass es sich um ein Jugendstück handelt – ein Format, das nicht nur „bemerkenswert inklusiv“ ist, wie der Kritiker anmerkt, sondern auch bewusst für ein diverses Publikum gestaltet wurde. Dass das Ensemble selbst divers zusammengesetzt war, stellt einen bedeutenden künstlerischen wie sozialen Prozess dar, der andere Anforderungen mit sich bringt als die Arbeit in einem homogenen Ensemble. Dies verdient mehr Beachtung.
Auch die Kritik an der Länge des Stücks wirkt unangemessen. Die Frage stellt sich, ob hier künstlerische Kriterien oder eher ökonomische Maßstäbe angelegt wurden. Grundsätzlich bleibt offen, inwiefern sich der Kritiker auf die spezifische Ästhetik und Sprache eines Tanzstücks tatsächlich eingelassen hat. Der starke Applaus des Publikums am Ende des Abends spricht jedenfalls eine andere Sprache.
Besonders problematisch erscheint die Bewertung des Publikumsverhaltens: Das Filmen durch Jugendliche während der Aufführung wurde negativ interpretiert, ohne den möglichen Ausdruck von Interesse oder persönlicher Teilhabe zu berücksichtigen. Gerade in einem jugendorientierten Kontext wäre hier mehr Differenzierung angebracht gewesen.
Insgesamt bleibt die Kritik oberflächlich und verfehlt zentrale Aspekte der Produktion. Weder die inhaltliche Tiefe noch die gesellschaftliche Relevanz des Stücks werden adäquat erfasst. Eine reflektiertere und kontextsensiblere Auseinandersetzung wäre wünschenswert gewesen.
Konrad Kögler
Das Stück ist offensichtlich für ein sehr junges, diverses Publikum konzipiert. Diese Zielgruppen hat die Inszenierung erreicht, wie am Applaus zu erkennen war.
Meine Kritikpunkte habe ich formuliert. In der Bewertung des Stücks gehen unsere Meinungen auseinander, das finde ich nicht weiter problematisch und gehört zum Gespräch über Theater dazu.
Dezidiert anderer Meinung bin ich, was das Filmen betrifft. Frau Langhoff hat ausdrücklich vor Beginn darum gebeten, die Handys auszuschalten. Mich haben die Displays im Blickfeld massiv gestört. Wenn die Handyfilmer noch näher gewesen wären, hätte ich auch darum gebeten, nicht so penetrant weiterzufilmen. Der künstlerische Eindruck und die Lichtregie wurden stark beeinträchtigt. Schon aus Respekt vor dem Ensemble sollte man das unterlassen. Gerade auch für das junge Publikum wäre das ein wichtiger Lernschritt.