Weder Romanautor Lion Christ noch Regisseur Florian Fischer waren dabei, als in den 1980er das schwule Partyleben in München pulsierte und die AIDS-Pandemie hereinbrach. Sie kostete fast eine ganze Generation junger Männer ihr Leben, sorgte für Angst und Schrecken. CSU-Politiker wie Peter Gauweiler, Horst Seehofer und Hans Zehetmair fuhren in der Landeshauptstadt und im Freistaat einen harten Ausgrenzungskurs, forderten Zwangstests und sorgten für Schließungen.
Autor und Regisseur dieses Abends im Schauspielhaus und Kammerspiele sind viel zu jung, um die Zeit von Denver-Clan und Freddie Mercury miterlebt zu haben. Der Debüt-Roman von Lion Christ (unschwer als Pseudonym zu erkennen) und mehr noch die Inszenierung von Florian Fischer wollen an die Generation erinnern, die damals voller Euphorie und Lebensfreude in die Großstadt aufbrach und jäh mit Krankheit und Tod konfrontiert wurde.
Die Roman-Erzählung um die fiktive Hauptfigur Flori, einen Jungen aus Wolfratshausen, der zu einer Freundin in die Münchner WG zieht, wurde klug dramatisiert und auf drei Spieler*innen konzentriert. Eine perfekte Besetzung für Flori ist Elias Krischke, der mal im Croptop, mal im roten Satinkleid, die Verletzlichkeit und den Tatendrang des jungen Schwulen auf Identitätssuche spürbar werden lässt. Seine Mutter und die ältere Freundin spielt Annette Paulmann, die übrigen Männerrollen, meist schmierige Typen, übernimmt Edmund Telgenkämper.
Der Plot folgt den Party-Exzessen, dem Absturz ins Stricher-Dasein auf der Bahnhofs-Klappe und der Rettung durch ein älteres Paar, die Flori bei sich aufnehmen. Auf die Wände werden zahlreiche Zeitdokumente und Archiv-Schätze projiziert. Im O-Ton hören wir Hans Zehetmair, Altphilologe und Kultusminister a.D., dass Homosexualität „contra naturam“ sei und die Ränder der Minderheiten ausgedünnt werden müssten.
Egbert Tholl fand in seiner begeisterten SZ-Kritik ein treffendes Wort für diesen beeindruckenden Abend: „Sauhund“ ist das „Requiem“ für eine Generation und eine untergegangene Ära des Nachtlebens vor der Gentrifizierung. Standing Ovations wie nach der gestrigen Aufführung habe ich in den vergangenen Jahren im Schauspielhaus der Münchner Kammerspiele höchst selten erlebt.
„Sauhund“ hatte am 5. Juni 2025 Premiere und ist eine weitere überzeugende Arbeit eines überraschend starken Theaterjahrgangs an der Maximilianstraße.
Bilder: Armin Smailovic