Sirāt

Auch wenn man nur für wenige Kinobesuche pro Jahr Zeit und/oder Geld hat, sollte man auf jeden Fall das bildgewaltige Werk „Sirāt“ des spanisch-französischen Regisseurs Óliver Laxe weit oben auf die Liste setzen, das in Cannes im Mai 2025 einschlug und sich dort den Preis der Jury mit Mascha Schilinskis „In die Sonne schauen“ teilte.

Das Interessante an diesem Kino-Erlebnis ist, dass sich das Roadmovie nicht um die üblichen Schubladen schert, sondern aus ganz unterschiedlichen Quellen speist. Der arabische Titel „Sirāt“ stammt aus der islamischen Eschatalogie und beschreibt den schmalen Steg, der über den Abgrund der Hölle hinweg ins Paradies führt. Er sei „so dünn wie ein Haar und so scharf wie das schärfste Messer oder Schwert“, erfahren wir im Vorspann.

Doch bis nach und nach spürbar wird, wie treffend dieser Titel ist, lässt sich der Film zunächst viel Zeit. Er taucht in die Welt der Raver ein, die im Nirgendwo der marokkanischen Wüste wummernde Boxen aufgebaut haben und sich zum Soundtrack des französischen, in Berlin lebenden DJ Kangding Ray in Trance tanzen. Diese Szenen drehten Laxe und sein Kameramann Mauro Herce mit Laiendarstellern und echten Ravern. Für viele im Publikum ist diese Welt des Dauerrauschs, der von der Wüstensonne verbrannten Gesichter und der amputierten Gliedmaßen sicher ähnlich fremd wie für den untersetzten Familienvater Luis (Sergi López), der mit seinem kleinen Sohn Esteban (Bruno Núñez) und einem völlig wüstenuntauglichen PKW auf der Suche nach seiner Tochter Mar ist, die zuletzt auf einem dieser Raves gesehen wurde.

Panzer fahren auf, das Militär verkündet den Ausnahmezustand, doch die Raver widersetzen sich dem Befehl, der Kolonne zu folgen und das Land zu verlassen. Mit Luis und Esteban im Schlepptau brechen sie aus und tauchen immer tiefer in die bergige Wüste ein. Der von existentialistischer Philosophie geprägte Klassiker „Lohn der Angst“ (1953) von Henri-Georges Clouzot ist ebenso als Referenzpubkt spürbar wie die dystopische „Mad Max“-Action-Reihe des Australiers George Miller (seit 1979).

Zu viel sollte man auf keinen Fall über diesen Film verraten, der mit hervorragenden Aufnahmen der lebensfeindlichen Umgebung in Nordafrika glänzt, vor allem aber virtuos Knall- und Schockeffekte einsetzt.

Nach der Cannes-Premiere tourte „Sirāt“ weiter über die Festivals wie Karlovy Vary und München, soll im Herbst auch in New York und Toronto laufen. In den deutschen Kinos ist „Sirāt“ seit 14. August 2025 zu sehen.

Bilder: © Pandora Film / QuimVives

   
   

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