Panoramen der britischen Klassen-Gesellschaft sind eine Spezialität von Alan Hollinghurst, der spätestens seit dem Booker Prize für „Schönheitslinie“ (2004) über die von Margaret Thatcher und der AIDS-Krise geprägten 1980er Jahre auch hierzulande ein so klangvoller Name ist, dass er den Eröffnungs-Slot auf der Großen Bühne im Haus der Berliner Festspiele zum Auftakt des international literaturfestivals berlin bekommt.
Der Roman folgt Dave Win, der als schwuler Mann und Halb-Birmane (heute Myanmar) gleich zwei Minderheiten angehört, von den 1960ern bis in die Gegenwart. Wie von Hollinghurst gewohnt, handelt es sich wieder um einen hochpolitischen Roman, der nicht nur die Entwicklungen eines homosexuellen Lebens nachzeichnet, sondern auch mit den Brexiteers unter den Tories abrechnet, die das Königreich ins Chaos stürzten.
Das klingt alles sehr vielversprechend, auch der SPIEGEL Online-Text von Hannah Pilarczyk, die Hollinghurst vor kurzem in London besuchte, weckt Interesse. Die Buchpremiere der erst am Donnerstag erschienen deutschen Übersetzung litt jedoch darunter, dass die Stellen, die Hollinghurst im Original und die für Eva Mattes eingesprungene Martina Gedeck lasen, in ihrem lakonischen Stil kaum nachhallten.
Auch das Gespräch zwischen Thomas Meaney und dem Autor mäanderte eher dahin, blieb im verbalen Ping-Pong stecken, bis es eine kurze Frage aus dem Publikum gab.
„Unsere Abende“ ist im Albino Verlag erschienen, der zu Salzgeber gehört.
Bild: © internationales literaturfestival berlin 2025 PWS e.V., Foto: C. Kunstmann