Im Graubereich zwischen Polit-Thriller, Geheimdienst-Kolportage und Mystery siedelt die deutsch-kurdische Regisseurin Ayşe Polat ihren Film „Im toten Winkel“ an. Er kam im Februar 2023 in der Berlinale-Sektion Encounters heraus, die Carlo Chatrian als Ort fürs Sperrige und Experimentelle einführte, die jedoch mit seinem Abgang verschwand.
Mit einem Film im Film beginnt das Drama: die Dokumentarfilmerin Simone (Katja Bürkle) trifft Angehörige toter Kurdinnen und Kurden. Mit der Handkamera geht es über holprige Straßen im Osten der Türkei. In den folgenden beiden Kapiteln tauchen immer häufiger Bilder von Überwachungskameras und heimlich gefilmte Handy-Videos auf. In einem Netz aus Paranoia verfangen sich die Figuren. Der türkische Geheimdienst hat seine Finger im Spiel, die Fäden kreuzen sich bei Melek (Çağla Yurga), der Tochter des Agenten Zafer (Ahmet Varlı), der unter Beschuss gerät. Wer ist der geheimnisvolle Unsichtbare, von dem sie spricht? Ist sie ein Medium? Von wem wird sie manipuliert.
Aus drei Perspektiven erzählt Polat, die 2024 für ihre Regie und ihr Drehbuch mit einer Lola, dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde, und sich auch über die Bronzene Lola für den drittbesten Film des Jahres freuen durfte. In ihrer verschachtelten Konstruktion, die formal und ästhetisch stark an Polit-Thriller der 1970er Jahre erinnert, bleibt die Wahrheit dem Zuschauer verborgen im toten Winkel.
Die Konstruktion ist manchmal zu verkopft, so dass die Thriller-Spannung etwas auf der Strecke bleibt. Um einen der ungewöhnlicheren deutschen Kinofilme handelt es sich bei „Im toten Winkel“ auf jeden Fall. Nach der Berlinale Encounters-Premiere gewann er beim Filmfest Oldenburg, startete am 4. Januar 2024 in den Kinos und hatte seine TV-Premiere am 24. September 2025 in der Mitternachts-Nische auf arte, das den Film gemeinsam mit dem WDR koproduzierte.
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