Ein erstaunliches Debüt gelang Christina Tournazés mit „Karla“, einem stillen, kargen Missbrauchsdrama. Der Film verzichtet auf jede Emotionalisierung, jeden reißerischen Gestus und fast komplett auf musikalische Untermalung, die sonst oft zum Klangbrei wird.
Stattdessen vertrauen die Regisseurin und ihre Drehbuchautorin Yvonne Görlach auf die kammerspielartige, sehr lakonisch erzählte Verdichtung einer wahren Begebenheit. Die miefige Atmosphäre der jungen Bundesrepublik in der Endphase von Konrad Adenauers Kanzlerschaft wird in vielen Einstellungen auf dem Polizeirevier, im Büro des Richters (Rainer Bock) und seiner Sekretärin (Imogen Kogge) oder im Gerichtssaal spürbar.
Ein Coup ist die Besetzung der Titelrolle mit der erst 15jährigen Elise Krieps, Tochter der luxemburgischen Schauspielerin Vicky Krieps, die dafür bekannt ist, sich in ihren Rollen an ihrer eigenen Emotionalität zu berauschen. Ganz anders die Tochter: sie spielt ein Mädchen, das allen Mut zusammennimmt und den eigenen Vater wegen Missbrauchs anzeigt. Der Film zeigt beklemmend plastisch, wie schwer es ihr fällt, das Grauen in Worte zu fassen. Oft stockt sie, oft bricht sie ganz ab, dann bleibt nur noch eine Stimmgabel als Ersatz-Code.
Bei der Premiere auf dem Filmfest München wurde „Karla“ in der Sektion „Neues Deutsches Kino“ gleich mit zwei Förderpreisen ausgezeichnet: für die Regie und das Drehbuch. Am 2. Oktober 2025 startete die arte/BR-Koproduktion in den Kinos.
Bild: ©Achtung Panda!/Florian Emmerich