Zwei jüdische Schwestern, Gerda (Nairo Hadodo) und Renate (Sesede Terziyan) haben den Holocaust in einem Versteck in den Wäldern Brandenburgs überlebt und kehren in die Trümmer Ost-Berlins zurück.
Das ist der Ausgangspunkt einer Musical-Revue, die als Panorama von der deutsch-jüdisch-deutschen Nachkriegsgeschichte erzählt und dafür eine Familiensaga erfunden hat. Die Schwestern treffen beispielsweise auf das biedere Nazi-Mitläufer-Paar Schnitzler (Klara Deutschmann und Fridolin Sandmeyer), die sich das Geschirr der jüdischen Familie unter den Nagel gerissen haben und sich mit dem Song „Waren halt andere Zeiten“ halbherzig entschuldigen.
Der Plot, den sich Juri Sternburg, Spross der Langhoff-Theater-Dynastie und preisgekrönter Autor der TV-Serie „Die Zweiflers“, ausgedacht hat, mag zwar ein paar Längen haben und mit ein paar ausfransenden Nebensträngen wie z.B. der Affäre zwischen Renate und Frau Schnitzler überfrachtet sein. Für einen Theater-Abend wäre der Plot auch etwas zu dünn und manche Figur zu stereotyp.
Aber als Musical-Vorlage funktioniert dieser Text sehr gut. Die Kompositionen von Paul Eisenach werden von der vierköpfigen Live-Band um Wenzel Krah mit viel Swing vorgetragen, so dass sich der Abend schön eingroovt.
Die Stärke des Abends ist die stimmliche Qualität des Ensembles, das sich etwa zur Hälfte aus Gorki-Ensemble-Stars wie Anastasia Gubareva und Lindy Larsson, die ihr musikalisches Talent schon oft demonstrierten, und Gästen zusammensetzt. Hier ist vor allem Jasna Fritzi Bauer zu nennen, die mit Regisseurin Lena Brasch schon in einer Studio-Produktion über die DDR-Dichter-Familie zusammenarbeitete und hier als verstorbene Halbschwester Dora und Erzählerin durch die Erinnerungs-Revue führt.

Die „East Side Story“ ist gelungenes Unterhaltungs-Theater zur deutsch-jüdischen Geschichte: auf der Zielgeraden ihrer Intendanz gelingt Shermin Langhoff ein Abschied mit sehr vielfältigen, häufig überzeugenden Inszenierungen, die in überraschend hoher Schlagzahl zur Premiere kommen.
Nach dem melancholisch-leise ausklingenden jüdischen Partisanen-Lied, mit dem das Musical endet, verabschiedete sich die Intendantin mit Blumenstrauß von einigen Weggefährt*innen, die gestern ihre letzte Gorki-Premiere feierten. Zu Beginn stellten sich die Werkstätten des Gorki in einer Protest-Aktion gegen die Kürzungs-Pläne des Senats, die zur Zusammenlegung mit den Gewerken anderer Bühnen führen könnten.
Die „East Side Story“ wurde am 18. Dezember 2025 am Gorki Theater uraufgeführt.
Bilder: Ute Langkafel MAIFOTO