Othello ist eine Frau ist ein Mann ist ein Affe

Othello, das große Eifersuchtsdrama der Weltliteratur, feierte vor kurzem Premiere an den Kammerspielen des Deutschen Theaters.

Jette Steckel beginnt ihre Inszenierung mit einer Irritation: Mitten im Publikum küssen sich zwei Frauen, ein Mann aus den hinteren Reihen filmt die Szene mit der Kamera. Die Schulklasse im Publikum kichert aus Unsicherheit und wispert: "Jetzt fangen die an zu knutschen. Das gibts doch nicht." Schnell wird jedoch auch ihnen klar: Dieser Flirt gehört bereits zum Stück, im Parkett kommen sich die Schauspielerinnen Meike Droste und Susanne Wolff näher.

Mit diesem Eröffnungsgag präsentiert die junge Regisseurin auch bereits ihre Grundidee, die sich leitmotivisch durch den knapp zweistündigen Abend zieht: Ihre Hauptfigur Othello ist nicht wie bei Shakespeare ein Mann, sondern wechselt seine Erscheinungsform von Akt zu Akt. Zu Beginn tritt die Schauspielerin Susanne Wolff als langhaarige Frau auf, schlüpft später in Männerkleidung mit androgynem Kurzhaarschnitt, nur um später in sirenenhaftem Outfit im knallroten Kleid und mit wasserstoffblonder Perücke zurückzukehren, bevor sie sich in das Kostüm eines Gorillas zwängt.

Jette Steckel geht von der recht wackeligen und von den meisten Kritikern zerpflückten These aus: Othello ist nur eine Projektionsfläche. Seine/ihre Identität entwickelt sich erst durch immer neue Zuschreibungen. Am Hof von Venedig wird er als der Fremde und Eindringling abgelehnt, die Anderen projizieren ihre eigenen Ängste auf ihn. Mit dieser Prämisse spricht Steckel ihrer Hauptfigur jeden Persönlichkeitskern ab, er ist nicht mehr greifbar und die Aufführung droht sich im Gestrüpp eines Theorie – Dschungels zu verlieren.

Jenseits dieser umstrittenen Regieidee entspinnt sich das bekannte Drama: Jago, der hier von Ole Lagerpusch mit Guttenbergscher Gelfrisur gespielt wird, spinnt sein Intrigennetz immer enger um Othello und seine Geliebte Desdemona (Meike Droste). Zahlreiche popkulturelle Referenzen werden eingeflochten: Die Darsteller streifen Clawfinger und Public Enemy – T – Shirts über, Musik von Björk wird eingespielt, zwischen den Szenen tritt der Beatboxer Mando auf und ahmt schrille Geräusche nach.

Insgesamt trägt Jette Steckels Regiekonzept nicht. Ihr Othello ist eine der schwächeren Inszenierungen der hochgelobten Nachwuchsregisseurin des Jahres 2007, deren Caligula – Inszenierung nach Albert Camus eine der spannendsten Arbeiten der vergangenen Spielzeit war, aber leider nicht mehr auf dem Spielplan der Box des Deutschen Theaters steht.

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