Ein Film der leisen Töne ist das tragikomische Kammerspiel des iranischen Regie-Ehepaars Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha. Die Exposition plätschert bewusst recht langsam vor sich hin: wir erleben den Alltag einer alleinstehenden, älteren Frau. Mahin (Lily Farhadpour) schläft gerne lang und isst auf die Essensmerken für Rentner-Restaurants angewiesen, wie wir erfahren. Ihre sozialen Kontakte beschränken sich auf Telefonate mit ihrer im Exil lebenden Tochter und den Kaffeeklatsch mit anderen älteren Damen, bei dem über allerlei Malaisen und über die Ehemänner geklagt wird.
Zwei Einschnitte sorgen dafür, dass der Film Fahrt aufnimmt: in einem Park wird Mahin Zeugin wie junge Frauen von der iranischen Sittenpolizei verhaftet werden, weil der Hijab nicht streng genug saß. Resolut schreitet sie ein. Bekanntlich griff das iranische Regime in solchen Fällen tatsächlich sehr hart durch, was zu den mittlerweile niedergeschlagenen „Frau Leben Freiheit“-Protesten im Herbst 2022 führte. In dieser Zeit drehten Moghaddam/Sanaeeha ihren dritten gemeinsamen Film undercover. Die meisten Szenen spielen in Mahins Wohnung, aber vor allem im Mittelteil gibt es auch Aufnahmen aus Restaurants und Parks. Das Regie-Duo konnte das Filmmaterial nach Paris schmuggeln, wo es geschnitten wurde, bekam aber Ausreiseverbot und durfte nicht bei der Berlinale-Premiere im Februar dabei sein. Im Iran warten sie nun auf ihren Prozess, wie Johanna Adorján in einem lesenswerten, langen SZ-Artikel nach einem Zoom-Gespräch mit den beiden berichtet. Mit „Ballade von der weißen Kuh“ waren Moghaddam/Sanaeeha 2021 schon einmal in den Berlinale Wettbewerb eingeladen.
Der zweite Einschnitt in „My Favourite Cake“, wie der internationale Titel lautet, ist eine Begegnung von Mahin mit Faramarz (Esmail Mehrabi): sie bemerkt ihn, als der Taxifahrer genauso einsam wie sie beim Mittagessen sitzt und in seinem Essen herum stochert. Sie ergreift die Initative, stalkt ihn regelrecht und lotst ihn in ihr Haus. Trotz penetrant-neugieriger Nachbarinnen entwickelt sich eine kurze, zarte Liebesgeschichte. Die zärtliche Annäherung gipfelt in einem schönen Tanz zu Musik aus Zeiten vor der ialamistischen Revolution von 1979 und einer gemeinsamen Dusche, die das Paar aus Scham angezogen nimmt.
Jäh endet dieses Glück, aber „Ein kleines Stück vom Kuchen“ ist dennoch ein optimistischer Film über das späte Aufblühen einer älteren Frau und ihr mutiges Aufbegehren gegen die engen Spielräume der Theokratie, die ihr kaum Luft zum Atmen lassen.
Bei der Berlinale 2024 gewann „My Favourite Cake“ zwar keinen der Bären, aber den FIPRESCI-Preis der Fachpreise und den Preis der Ökumenischen Jury. Am 11. Juli 2024 startete der Film in den deutschen Kinos.
Bild: © Hamid Janipour / Alamode Filmverleih