Zum Saisonfinale gönnen sich die meisten Häuser einen heiteren Ausklang. Den entgegengesetzten Weg ging die Staatsoper Unter den Linden: als „filmische Oper“ adaptierten der Ungar David Marton (Regie) und die beiden Franzosen Marc-André Dalbavie (Musik) und Guillaume Métayer (Libretto) gemeinsam mit dem US-Videokünstler Chris Kondek den 1989 erschienen Roman „Melancholie des Widerstands“ des Ungarn László Krasznahorkai, der vom Untergang einer Stadtgesellschaft erzählt.
Ausgerechnet im Jahr des Mauerfalls und des Endes des Kalten Krieges, der mit so vielen Hoffnungen und trügerischen Illusionen verbunden war, erschien die düstere Roman-Vorlage, die so vieles aus der Gegenwart vorauszahnen scheint. Der Briefträger Valouchka, ein naiver Traumtänzer (gesungen von Countertenor Philippe Jaroussky) erlebt staunend mit, wie Madame Angèle Esther (Mezzosopranistin Tanja Ariane Baumgartner) ihre Truppen sammelt, um in der Kleinstadt endlich wieder für „Ordnung“ zu sorgen. Nicht nur ihre Parolen, sondern auch die Optik erinnern an Marine Le Pen. Ein Zufall, jedoch dramaturgisch sehr passend, dass die vorgezogene Parlamentswahl in Frankreich mit den fünf Staatsoper-Vorstellungen zusammenfiel.
Das Ungewöhnliche an der Uraufführung dieser Roman-Adaption, der im Jahr 2000 bereits von Belá Tarr unter dem Titel „Werckmeistersche Harmonien“ fürs Kino bearbeitet wurde, ist seine Konzeption als Live-Film. Dies ist aber zugleich auch eine Schwäche des ambitionierten Projekts: zwischen Soli auf der Vorderbühne und live gefilmter Gruppenszenen kommt die Oper kaum über eine Aneinanderreihung kleiner dystopischer Stimmungsbilder und Traumfetzen hinaus.
Unruhe macht sich während der knapp zwei Stunden immer wieder im Publikum breit, Türen klappern, während vorne die Hauptfigur durch eine recht plakativ umgesetzte Dystopie stolpert.
Bild: William Minke