Berlinale 2010: „Ghostwriter“ – Roman Polanski arbeitet sich an Tony Blair ab

The Ghost Writer ist ein mit Spannung erwarteter Polit – Thriller, der in überraschend traditionellem Tempo daherkommt. So hätte man einen derartigen Stoff wohl schon zu Beginn von Roman Polanskis Karriere in den 60er Jahren gedreht. Obwohl die Ästhetik der Bourne – Trilogie um Lichtjahre entfernt ist, überzeugt der Film auf seine Art und gilt ebenfalls als Anwärter auf einen der Bären. Da die Wettbewerbsjury aber traditionell ein Herz für Exoten hat, wird dieser Film wohl kaum den Hauptpreis bekommen. Auf der Zielgeraden des Festivals gelten der türkische Beitrag Bal und Eu cand vreau sa fluier, fluier aus Rumänien als heißeste Anwärter auf den Goldenen Bären.

Polanskis neues Werk The Ghost Writer basiert auf einer Vorlage des britischen Bestseller – Autors Robert Harris. Es braucht keinen besonderen detektivischen Spürsinn, um herauszufinden, dass die eine der beiden Hauptfiguren, der britische Ex – Premier Adam Lang, frappierende Ähnlichkeiten mit Tony Blair hat. Als das Buch erschien, sorgte es für einigen Wirbel in den internationalen Medien, dass sich Harris so unverhohlen an dem früheren Labour – Premier und seiner umstrittenen special relationship zu George W. Bush, für die er oft als Bushs Pudel karikiert wurde, abarbeitet.

Ex – Bond – Star Pierce Brosnan strebt nach einem Image – Wandel und mimt diesen ehemaligen britischen Premier Adam Lang. Das breite Grinsen, das teflonartige Abperlenlassen von Vorwürfen und auch die ständigen Vorwürfe seiner Gegner, er sei mehr Schauspieler als Politiker, lassen auch hier die Erinnerungen an Tony Blair wach werden.

Gerade, als er einen völlig unpolitischen Ghostwriter engagiert, der seine Memoiren zu einem Kassenerfolg machen und ihn im besten Licht erscheinen lassen soll, erhebt sein ehemaliger Außenminister schwere Vorwürfe gegen ihn: Der Ex – Staatsmann Lang soll in geheimen Kommandoaktionen die Verhaftung mutmaßlicher Islamisten in Pakistan angeordnet und diese dann der CIA übergeben haben, obwohl er wusste, dass ihnen umstrittene Verhörmethoden wie Waterboarding drohen. Deshalb leitet der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Ermittlungen gegen ihn ein. Harris und Polanski greifen für ihren fiktionalen Verschwörungs – Plot reale Praktiken aus der Bush – Ära auf: Bis heute ist ungeklärt, in welchem Umfang Terrorverdächtige in Geheimgefängnissen außerhalb des US – Territoriums festgehalten wurden. Auch der Folter – Vorwurf wurde immer wieder erhoben. Vor allem beschäftigte die Praxis, Terrorverdächtige an Geheimdienste fremder Staaten zu überstellen, die im Verdacht stehen, die Wahrung der Menschenrechte nicht so streng zu sehen, die politischen und völkerrechtlichen Debatten. Dabei richtete sich der Vorwurf aber meist an die CIA, Gefangene an Autokratien im Nahen oder Mittleren Osten zu übergeben, wofür sich der Fachbegriff rendition eingebürgert hat.

The Ghost Writer ist ein sehr routinierter Genre – Film, der nachzeichnet, wie sich der unbedarfte Schriftsteller, der nur als „Ghost“ bezeichnet und von Ewan McGregor glänzend gespielt wird, in einem undurchsichtigen Machtkampf verstrickt, in dem Politiker und Geheimdienstler falsche Fährten legen und unklar ist, wem er noch trauen kann. Vor allem die Atmosphäre im engsten Stab um den Ex – Premier, der sich in eine Hochsicherheitsvilla auf der Atlantikinsel Martha`s Vineyard zurückgezogen hat, ist stimmig gezeichnet.

Der Film startet bereits am 18. Februar bundesweit in den Kinos und ist ein spannungsreicher Film, der Unterhaltungswert und politischen Diskussionsstoff für ein breites Publikum geschickt verknüpft.

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