In den ersten Tagen des Festivals gab es einige weitere recht interessante Lesungen aus politischen und zeithistorischen Romanen. Amir Hassan Cheheltan stellte Teheran, Stadt ohne Himmel vor. Im Zentrum des letzten Teils seiner Trilogie stand Gerammt, Wärter im berüchtigten Foltergefängnis Evin. Joachim Krol las in seiner spröden Art die lakonischen Beschreibungen aus dem Innenleben des Mullah-Regimes in deutscher Übersetzung.
Etwas zu langatmig gerieten die Antworten von Raj Kamal Jha, einem indischen Journalisten, der sein bereits 2006 erschienenes Buch Die durchs Feuer gehen, vorstellte. Darin schildert er das Massaker fanatischer Hindus an Muslimen in Ahmedadabad im Jahr 2002, das wenige Monate nach 9/11 von der Weltöffentlichkeit weitgehend ignoriert wurde. Erst in diesem Jahr hat der Oberste Gerichtshof verantwortliche Politiker zur Rechenschaft gezogen. Immerhin konnte der Publizist und Romanautor das hoffnungsvolle Fazit ziehen, dass sich die politische Landschaft mittlerweile so verändert hat, dass den rechtsgerichteten Hindu-Nationalisten ein starkes Gegengewicht aus anderen Lagern gegenübersteht.
Ein Höhepunkt der ersten Festival-Woche war die Benefiz-Lesung zu Ehren von Pussy Riot. Die Große Bühne des Festspielhauses war restlos ausverkauft, so dass die Veranstaltung auch ins Foyer übertragen werden musste. Das Bolschewistische Kurorchester spielte Klassiker von Brecht/Eisler bis Rio Reiser und gab eigene Songs zum besten, in denen sie sich Prinzipiell dagegen aussprachen, dass politische Gefangene in Haft landen. Zwischen den unterhaltsamen und rebellischen Liedern lasen Künstler aus der Neuübersetzung von Michail Bungalows Roman Der Meister und Margarita, in dem er die absurden Auswächse von Stalins totalitärem Regime karikiert und in einer surrealen Handlung mit Auftritten von Pontius Pilatus und dem Teufel kenntlich macht.
Am Sonntag Abend lasen Schauspielerinnen des Maxim Gorki Theaters und Ulrich Matthes vom Deutschen Theater in der Beletage der Heinrich Böll-Stiftung eine interessant gestaltete Collage aus den Moskauer Prozessakten im Fall Pussy Riot und der griechischen Tragödie Antigone von Sophokles.