„Der Russe ist einer, der Birken liebt“ am Gorki: schöne Musik, düsteres Ende

Dimitrij Schaad zieht wie ein Liedermacher mit seiner Gitarre über die Bühne, die von einer umgestürzten Birke dominiert wird. Mit frechen Sprüchen kommentiert er die emotionalen Verstrickungen von Mascha (Anastasia Gubareva). Als Flüchtlingskind aus Baku vor dem Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien geflohen, streift sie durch flüchtige Begegnungen mit Männern und die Berliner Partyszene.

Elias (Knut Berger, bekannt aus dem israelischen Kino-Melodram Walk on water, 2004, von Eytan Fox) schien ihre große Liebe. Vom ersten Moment an will sie ihm an die Wäsche, als sie ihn in seinem Barca-Trikot auf der Tanzfläche eines Clubs sieht. Nach einem Sportunfall stirbt er, sie macht sich Vorwürfe und schlingert orientierungslos zwischen den Männern hin und her: da ist der arabischstämmige Sami (Thomas Wodianka), auch so eine Bekanntschaft aus dem Nachtleben; da ist ihr Professor, der sie mit recht eindeutigen Absichten zum Abendessen ausführt; da ist ihr Schwiegervater in spe, Horst (Tim Ponath), der es sich in seiner eigenen Welt aus gesammelten Kuckucksuhren und rechtsextremem Gedankengut gemütlich macht; und da ist schließlich ihr türkischer schwuler Kumpel Cem (Dimitrij Schaad).

Cem ist der Sympathischste aus diesem Typen-Kabinett orientierungsloser Figuren und hält auch noch Kontakt zu Mascha, als sie alle anderen Brücken hinter sich abgerissen hat. Sie macht sich Vorwürfe, dass sie am Tod ihres Lovers schuld sei. Traumatische Erinnerungen an die Kindheit im Krieg brechen wieder auf. Sie entscheidet sich, ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen und geht nach Israel. Ihren neuen Job verliert sie schnell wieder und versucht, nach den Enttäuschungen mit den Männern nun mit einer Frau (Orit Nahmias) glücklich zu werden.

Nachtkritikerin Simone Kaempf ging mit „gemischten Gefühlen“ von der Premiere im November 2013 nach Hause und auch die meisten anderen Kritiken waren wesentlich verhaltener als der einhellige Jubel der Feuilletons über Olga Grjasnowas Roman-Debüt Der Russe ist einer, der Birken liebt (2012), das diesem Abend zugrunde liegt.

Die eingestreuten Songs und Anekdoten von Dimitrij Schaad, mit denen er ein neues Kapitel anmoderiert, eine willkommene Abwechslung von der mäßig interessanten Handlung. Vieles ist grotesk überzeichnet, manches immerhin gelungener Slapstick. Die größten Lacher erntet die Nazi-Karikatur Horst. Diese Kabarettnummern fügen sich mit der düsteren Schlussbotschaft der verstört am Boden kauernden Mascha, wie vergeblich alles menschliche Streben nach Glück doch sei, nicht recht zu einem stimmigen Ganzen.

Seit dieser Eröffnungs-Premiere am Gorki durften wir dort einige wesentlich stärkere Regie-Arbeiten von Yael Ronen erleben.

Der Russe ist einer, der Birken liebt nach dem Roman von Olga Grjasnowa in einer Bühnenfassung von Yael Ronen. – Regie: Yael Ronen, Bühne: Magda Willi, Kostüme: Esther Krapiwnikow, Video: Benjamin Krieg, Musik: Yaniv Fridel / Dimitrij Schaad, Dramaturgie: Irina Szodruch. – Mit: Mehmet Ateşçí, Knut Berger, Anastasia Gubareva, Orit Nahmias, Tim Porath, Dimitrij Schaad, Thomas Wodianka. – Urauffühhrung am Gorki: 16. November 2013. – Ca. 1 h 45 Minuten, keine Pause

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