No One Survives: ein Holocaust-Überlebender zwischen drei Frauen am Gorki

Yael Ronen springt mit ihrer neuen Inszenierung „Feinde – Die Geschichte einer Liebe“ aus der Schublade, in der sie es sich eigentlich bequem eingerichtet hatte und die ihr zwei Einladungen zum Theatertreffen in Folge beschert hatte. „Common Ground“ (2015 ausgewählt) und „The Situation“ (2016), aber auch ihre anderen Gorki-Inszenierungen „Erotic Crisis“ und „Das Kohlhaas-Prinzip“ machten den Namen Ronen zu einer Marke in der Berliner Theaterlandschaft. Das Publikum glaubte zu wissen, was man von ihr bekommt: temporeiche Stückentwicklungen, die aus den Biographien aller Mitspieler schöpfen. Abende mit Zuspitzungen, streitbar, überschäumend, mal übers Ziel hinausschießend, aber nie langweilend.

Im „Freitag“ kündigte Ronen zwar an, dass ihre neue Inszenierung eine „werkgetreue“ Romanadaption von Isaac Bashevis Singers „Feinde – Die Geschichte einer Liebe“ werde. Das Ergebnis ist dennoch ein überraschender Bruch mit den Erwartungen. Was sie bewog, diesen Stoff, der in Deutschland weitgehend unbekannt, aber in Israel Schullektüre ist, auf die Bühne zu bringen, deutet sie im „Freitag“ nur an: „Es war sogar Teil meiner Abschlussprüfungen. Ich kenne und liebe das Buch also schon sehr lange. Ich wäre aber nicht auf die Idee gekommen, ein Theaterstück daraus zu machen. Eine der Schauspielerinnen hat Feinde auf Deutsch gelesen und zu mir gesagt: Die Geschichte ist auch heute noch relevant.“

So hölzern und mit so vielen Längen war Ronen am Gorki noch nicht zu erleben. In 50er Jahre-Kostümen turnt Herman Broder (Aleksandar Radenković) über das Baugerüst auf der Bühne, hin- und hergerissen zwischen drei Frauen: seiner polnischen Haushaltshilfe Yadwiga (Orit Nahmias), die ihn vor den Nazis versteckte, seiner Affäre Masha (Lea Draeger) und seiner tot geglaubten, aber plötzlich wiederauftauchenden Frau Tamara (Çiğdem Teke). Der Hauptdarsteller ist deshalb über weite Strecken damit beschäftigt, sich Notlügen einfallen zu lassen, zwischen den Frauen hin- und herzuhetzen und sich aus-, an- oder umzuziehen.

Die knapp zwei Stunden wirken zäh und uninspiriert. Zum Rettungsanker des Abends wird der Musiker Daniel Kahn. Auf seinem Akkordeon und mit seinen beiden Mitstreitern Christian Dawid und Hampus Melin liefert er viel mehr als folkloristische Klezmer-Hintergrund-Musik als Pausenfüller, für die man seine Auftritte zwischen den Szenen zunächst halten könnte.

In einem Sprach-Mix aus Jiddisch, Deutsch, Englisch, Hebräisch und mit bissig-intelligenten Texten fasst er die Spielhandlung zusammen. Und noch viel mehr als das: er thematisiert den Schmerz der Vertreibung der Juden aus Europa und das Trauma des Holocausts, die den Hintergrund dieser Geschichte aus Brooklyn in den 50er Jahren bilden, aber in den holprigen Spielszenen viel zu kurz kommen. Mit seinem traurigen „No One Survives“ beschließt er das Stück und erntet den stärksten Applaus. Es hätte völlig genügt, die ganze Geschichte nur von ihm und seiner Band als Liederabend erzählen zu lassen.

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