Sehr offensiv und selbstironisch thematisieren die Tänzer*innen dieser deutsch-ungarischen Coproduktion in einer längeren Passage im Mittelteil die scheinbare Inhaltsleere ihrer Performance „Coexist“.
In der ersten halben Stunde stellt sich das Ensemble, das sich aus Bremer Tänzer*innen und der ungarischen Compagnie Hodworks / Unusual Symptoms zusammensetzt, in kurzen Solo-Auftritten vor. Mit viel nackter Haut, die auf deutschen Bühnen schon seit den 70ern niemand mehr provoziert, dem „vaterländische“ Werte und einen strammen Rechtsaußen-Kurs propagierenden ungarischen Staatschef Victor Orbán sicher missfallen wird, widmen sie ihren kleinen Monolog entweder der Großmutter oder dem Vater oder allen, die sich nicht geliebt fühlen, usw.
Als dieser etwas langatmige, allzu augenzwinkernde Auftakt absolviert ist, geht die Performance in einen Teil über, der sich als Reflexion über Willkür und Gewaltherrschaft lesen lässt. Einige angezogene Performer*innen zerren an halbnackten Kolleg*innen herum, zwingen sie zu demütigenden Posen und formen Gruppen-Skulpturen.
Zum Schluss lösen sich alle aus ihrer Erstarrung, toben schweißnass zu drängenden Technobeats über die Bühne des Kleinen Hauses am Goetheplatz. Wieder auf Augenhöhe verausgaben sie sich. Aus den Soli formen sich hin und wieder auch flüchtige Momente von Zweisamkeit, die aber in all der Hektik schnell wieder verfliegen.
Adrienn Hód, die auch am Oscar-prämierten Film „Son of Saul“ ihres Landsmanns Laszlo Nemes choreographisch mitarbeitete, liefert mit „Coexist“ eine typische Off-Theater-Performance fürs Stadttheater, die kokett mit Tabus spielt, die hierzulande längst keine Tabus mehr sind, ein paar hundert Kilometer weiter in Mittel-Osteuropa jedoch als Stachel wirken und die gewünschte Provokation auslösen können.
Bilder: Joerg Landsberg